Rz. 1

Der Stichentscheid und das Schiedsgutachterverfahren werden in § 128 VVG geregelt. Hiernach hat der Versicherer, soweit er seine Leistungspflicht aus den gegenständlichen Gründen verneint, im Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren (z.B. Stichentscheids Verfahren) mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Insoweit war es auch der Wille des Gesetzgebers, die RSV zu verpflichteten, eine solche Regelung in die jeweiligen ARB aufzunehmen.

Konkret heißt es in § 128 VVG:

Zitat

"Für den Fall, dass der Versicherer seine Leistungspflicht verneint, weil die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete oder mutwillig sei, hat der Versicherungsvertrag ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit vorzusehen, in dem Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien über die Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit einer Rechtsverfolgung entschieden werden. Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer bei Verneinung seiner Leistungspflicht hierauf hinzuweisen. Sieht der Versicherungsvertrag kein derartiges Verfahren vor oder unterlässt der Versicherer den Hinweis, gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers im Einzelfall als anerkannt."

Weiter heißt es in § 129 VVG:

Zitat

"Von den §§ 126 bis 128 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden."

 

Rz. 2

Nahezu alle RSV überlassen die Beurteilung der gegenständlichen Fragestellung der Anwaltschaft, so Finanztest: "Nur die Unternehmen Allianz, Allrecht, Continentale, Württembergische und die Mecklenburgische wollen, dass in diesem Fall ein Gutachter entscheidet."[1] Bei zwei der 45 untersuchten RSV, nämlich der Württembergischen und der Mecklenburgischen, muss der Kunde den Gutachter selbst bezahlen, "wenn dieser zu seinen Ungunsten entscheidet", so Finanztest weiter. Ob im konkreten Fall der Stichentscheid oder das Schiedsgutachterverfahren einschlägig ist, bestimmen die dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden ARB.

 

Rz. 3

Ist der RSV der Auffassung, dass die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, kann er seine Leistungspflicht verneinen. Dies hat er dem Versicherungsnehmer unter Angabe der Gründe unverzüglich schriftlich mitzuteilen, heißt es beispielsweise in den folgenden Bestimmungen: § 17 Abs. 1 ARB 75, § 18 Abs. 1 ARB 94.

In den Musterbedingungen[2] des GDV heißt es unter Punkt 3.4.1.1 ARB 2012 (Stand April 2018):

Zitat

Wir können den Versicherungsschutz ablehnen, wenn unserer Auffassung nach die Wahrnehmung Ihrer rechtlichen Interessen nach 2.2.1 bis 2.2.7 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat […].

Da aber beispielsweise der Straf-Rechtsschutz hier unter Punkt 2.2.9 und der Ordnungswidrigkeiten-Rechtsschutz unter Punkt 2.2.10 geregelt sind und damit nicht unter die Vorschriften nach Punkt 2.2.1 bis 2.2.7 fallen, greift dieser Ausschluss nicht. Insoweit kann ein Blick in die dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden ARB im wahrsten Sinne des Wortes erfolgsversprechend sein.

 

Rz. 4

Wird dem Versicherungsnehmer die Verletzung einer Vorschrift des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts vorgeworfen, ist es dem RSV verwehrt, die Erfolgsaussichten der Verteidigung in den Tatsacheninstanzen gemäß den eben genannten ARB Vorschriften zu prüfen. Die Rechtsbeschwerde oder die Revision können dagegen unter Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten verweigert werden, soweit die ARB dies so vorsehen. Denn die Revision und die Rechtsbeschwerde stellen keine Tatsacheninstanz dar.

 

Rz. 5

Hat der RSV seine Leistungspflicht verneint, kann der VN seinen Rechtsanwalt auf Kosten des RSV veranlassen, eine begründete Stellungnahme hinsichtlich der Frage der streitbefangenen Erfolgsaussichten oder zur Frage der Mutwilligkeit abzugeben. Die Entscheidung des Rechtsanwaltes ist für beide Teile bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.

 

Rz. 6

Die aktuellen Musterbedingungen des GDV[3] halten unter Punkt 3.4.2. und 3.4.3. ARB 2012 (Stand April 2018) folgende Regelungen vor:

Zitat

3.4.2 ARB 2012

Wenn wir den Versicherungsschutz ablehnen, können Sie von uns die Einleitung eines Schiedsgutachterverfahrens verlangen, und zwar innerhalb eines Monats. Wir sind verpflichtet, Sie auf diese Möglichkeit und die voraussichtlichen Kosten hinzuweisen. Mit diesem Hinweis müssen wir Sie auffordern, uns alle nach unserer Auffassung für die Durchführung des Schiedsgutachterverfahrens wesentlichen Mitteilungen und Unterlagen zuzusenden. Dies innerhalb eines weiteren Monats. Wir sind verpflichtet, Sie auf diese Möglichkeit und die voraussichtlichen Kosten hinzuweisen. Mit diesem Hinweis müssen wir Sie auffordern, uns alle nach unserer A...

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