I. Grundsätzliches

 

Rz. 8

Mit § 186 VVG n.F. sind erstmals Belehrungsobliegenheiten des VR gesetzlich fixiert worden. Der VR hat den VN auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Mit dieser Vorschrift wird die Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch seitens der VR bei Versäumnis der Fristen zur ärztlichen Invaliditätsfeststellung und Geltendmachung aufgegriffen und zu einer generellen Belehrungspflicht erweitert, die grundsätzlich aber für alle Leistungsarten gilt. Die Hinweispflicht entsteht mit der Anzeige eines Versicherungsfalls, § 186 S. 1 VVG n.F. Mit § 188 VVG n.F. wurde für die Neufeststellung eine eigene, spezielle Belehrungspflicht geschaffen.

II. Umfang der Hinweispflicht

 

Rz. 9

Der VR muss über die Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen belehren. Damit sind "spezielle Anspruchsvoraussetzungen" gemeint,[11] also solche, die nicht zur allgemeinen Deckungsprüfung gehören und die ein bestimmtes Verhalten des VN bzw. der VP voraussetzen. Vom Wortlaut des § 186 VVG n.F. erfasst sind die Fristen für die ärztliche Feststellung einer Invalidität, deren Geltendmachung beim VR sowie die Anmeldung einer Übergangsleistung. Auf die Einhaltung der Fristen kann Einfluss genommen werden. Auf Fristen, welche nicht vom VN beeinflussbar sind, braucht nicht hingewiesen zu werden.[12] Da auf allgemeine Anspruchsvoraussetzungen nicht hingewiesen werden muss, könnte man schlussfolgern, dass weitergehende Belehrungen nur erforderlich sind, wenn ähnliche Fristenvoraussetzungen wie bei der Invaliditätsleistung bestehen, etwa bei einem versicherten Schmerzensgeld.

 

Rz. 10

Eine Belehrung ist nicht nur auf diese Leistungsarten beschränkt. Ein Hinweis muss z.B. auch für die Leistungsart "Kosmetische Operation" – soweit diese konkret in Frage kommt - erfolgen. Auch hier hängt es in der Regel vom Verhalten der VP ab, ob der Eingriff innerhalb der drei Jahre nach dem Unfall erfolgt oder erst später. Allerdings geht es bei den Leistungsarten mit Schadencharakter nicht um den drohenden Verlust eines Anspruchs, sondern um das rechtzeitige Entstehen eines Anspruchs auf Kostenerstattung.

 

Rz. 11

Zwar fordert das Gesetz nur die Belehrung über die Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen; man wird aber nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Rechtsfolgen einer Versäumnis von Fristen verlangen müssen, damit für den VN erkennbar ist, dass er alleine wegen des Zeitablaufs Ansprüche verlieren kann. Daher ist eine Belehrung auch über den Anspruchsverlust bei Fristversäumnis erforderlich.

[11] Kloth, G Rn 46.
[12] Prölss/Martin-Knappmann, § 186 Rn 10.

III. Inhalt, Form und Zeitpunkt des Hinweises

 

Rz. 12

Die Belehrung hat in Textform zu erfolgen. Eine gesonderte Belehrung oder das drucktechnische Hervorheben verlangt § 186 VVG n.F. nicht, allerdings muss sie den Umständen nach so gestaltet und platziert sein, dass der VN den Hinweis auch als Belehrung wahrnehmen kann.[13] Es ist nicht ausreichend, mit einem Satz auf das Bedingungswerk zu verweisen; andererseits ist ein Vordruck, der alle versicherbaren Leistungsarten umfasst, wohl zu unübersichtlich.

Wann der VR belehren muss, lässt das Gesetz ebenfalls offen. Eine Belehrung kann frühestens mit einer förmlichen Schadenanzeige erfolgen, ist aber auch individuell zu jedem folgenden Zeitpunkt denkbar. Sie muss aber zeitnah zur Erkennbarkeit eines Anspruchs erfolgen.[14] Nicht geregelt ist auch, ob die Belehrung einmal für alle versicherten Leistungen des Vertrages zusammen, oder bei "Bedarf" im Schadenfall zu der jeweils in Betracht kommenden versicherten Leistungsart gesondert erfolgen soll.

 

Hinweis

In der Praxis wird üblicherweise mit der Schadenanzeige oder mit dem ersten sonstigen Brief an den VN ein integrierter Hinweis oder ein gesondertes Hinweisblatt zu den Invaliditätsfristen verschickt. Bezüglich anderer Leistungsarten ist die Hinweispraxis der VR unterschiedlich. Der Hinweis bezüglich der Invaliditätsleistung sollte möglichst früh erteilt werden, während zu den anderen Leistungsarten eine Belehrung individuell nach Erkennbarkeit eines möglichen Anspruchs ausreicht.

 

Rz. 13

Die Belehrung muss über das Bestehen der Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie die Ausschlussfristen informieren. Fehlerhafte Belehrungen gelten als nicht erbracht. Der VR hat zu beweisen, dass eine korrekte Belehrung erfolgt und dem VN auch zugegangen ist.[15]

[13] Marlow/Spuhl-Marlow, Rn 1263.
[14] Ähnlich Prölss/Martin-Knappmann, § 186 Rn 3 der eine zeitnahe Belehrung zur Anzeige des Schadenfalls fordert.
[15] Prölss/Martin-Knappmann § 186 Rn 10; Schwintowski/Brömmelmeyer-Brömmelmeyer, § 186 Rn 15.

IV. Adressat des Hinweises

 

Rz. 14

Nach dem Wortlaut des § 186 VVG n.F. soll die Belehrungspflicht nur auf Anzeigen des VN hin und auch nur diesem gegenüber bestehen. Für die Entstehung der Belehrungspflicht kann allerdings die Person des Schadenmelders keine Bedeutung haben. Deshalb wird die Hinweispflicht auch dann ausgelöst, wenn eine dritte Person den Schaden meldet.

 

Rz. 15

Zeigt bei einer Versicherung auf fremde Rechnung die VP den Ve...

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