Rz. 60

Es ist sehr schwierig, generelle Aussagen darüber zu treffen, welche Maßnahmen eines Testamentsvollstreckers zulässig sind und welche nicht. Die Rechtsprechung stellt immer wieder auf den konkreten Einzelfall ab.

Beispiele:

Unbedingt geltend zu machen sind Rechte des Nachlasses. Hierzu gehört insbesondere die Einziehung von Forderungen, auch die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen, bspw. aufgrund fehlerhafter Beratung des Erblassers durch Banken.
Dauerschuldverhältnisse, also beispielsweise der Abschluss eines langfristigen Mietvertrages, können eingegangen werden, wenn es dem Zweck der Testamentsvollstreckung entspricht. Bei einer reinen Abwicklungsvollstreckung wird dies sicherlich kaum denkbar sein, hier gehört es vorrangig zu den Pflichten des Testamentsvollstreckers, derartige Dauerschuldverhältnisse zu beenden. Steht hingegen die Fortführung eines Handelsgeschäftes im Raum, kann auch der Abschluss eines Mietvertrages zulässig sein, der die Laufzeit der Testamentsvollstreckung überschreitet.
Den Testamentsvollstrecker trifft weiterhin die Pflicht, den Nachlass vor Haftpflichtansprüchen in Schutz zu nehmen. Hier wird insbesondere der Abschluss entsprechender Versicherungen angezeigt sein. Die Erfüllung der Räum- und Streupflichten im Winter wird also genauso zu den Pflichten des Testamentsvollstreckers gehören, wie die Aufsichtspflicht über einen Geschäftsführer einer GmbH, an der der Nachlass beteiligt ist.
Immer wieder kritisch angesprochen wird der Themenkomplex Anlage und Verwaltung von Geld und Wertpapieren.[85] Hier zeigt sich zunächst wieder die starke Stellung des Testamentsvollstreckers. Anders als beispielsweise ein Vormund ist er nicht an den Grundsatz des "sichersten Weges" gebunden.[86] Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass ein Testamentsvollstrecker nicht gehalten ist, ausschließlich mündelsichere Anlagen zu tätigen.[87] Es ist ihm lediglich verwehrt, Anlagen zu wählen, die nach Lage des Falles den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen. In der Praxis bedeutet dies, dass sich der Testamentsvollstrecker dann nicht mit mündelsicheren Anlagen zufriedengeben darf, wenn sich bessere Anlagemöglichkeiten bieten. Er muss also über eine gewisse Kenntnis der verschiedenen Anlageformen verfügen.[88]
[85] https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/ gibt Ausblick auf wirtschaftliche Entwicklung und kann den Testamentsvollstrecker bei seinen Entscheidungen leiten.
[86] LG Bremen, Urt. v. 21.6.2019 – 4 O 1796/17.
[87] LG München, Urt. v. 13.1.2006 – 30 O 6959/05.
[88] Teilweise a.A. J. Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 9 Rn 43 f. a.E.

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