Rz. 67

Der Anspruch auf Rechtsschutz hängt nach dem aus dem Haftpflichtrecht entlehnten Gesetzeswortlaut des § 2k ARB von der Änderung der Rechtslage des Versicherungsnehmers oder ein mitversicherten Person ab.

Nach allgemeiner Ansicht[59] ist die Rechtslage dann verändert, wenn Rechte oder Verbindlichkeiten des Versicherungsnehmers oder einer mitversicherten Person, in zeitlich und adäquat ursächlichem Zusammenhang mit dem Ereignis neu begründet, belastet, übertragen, inhaltlich geändert oder aufgehoben werden. Eine rein prophylaktische Beratung scheidet demnach aus. Die Einholung eines Rates oder einer Auskunft muss erforderlich sein.

Was sich praktisch hinter der o.g. Formulierung verbirgt, soll die nachfolgende Übersicht verdeutlichen, die Beispielsfälle aufführt:

 

Rz. 68

Übersicht: Wann ist der Versicherungsfall eingetreten?[60]

Die Veränderung der Rechtslage ist zu bejahen bei Beratung über:

Eintritt des Erbfalles, gleich ob der VN testamentarischer oder gesetzlicher Erbe (auch Nach- und Vorerbe) ist oder ob er testamentarisch begünstigt oder benachteiligt bzw. übergangen wird[61]
Quote und Durchsetzbarkeit des Erbanspruchs[62]
Testamentsanfechtung[63]
Erbauseinandersetzung[64]
Lebzeitige Übergabe eines Hofes nach § 17 HöfeO[65]
Ergänzung der Abfindung wegen Wegfalls des höferechtlichen Zwecks nach § 13 HöfeO
Verhalten eines Abkömmlings, das den VN berechtigt, den Pflichtteil zu entziehen[66]
Schadensersatzpflicht des Vorerben aus § 2130 BGB
Zwangsversteigerung im Rahmen einer Erbauseinandersetzung[67]
Antrag auf Teilungsversteigerung eines Mitgliedes einer ungeteilten Erbengemeinschaft oder Auflösung der Erbengemeinschaft[68]
Anfechtung nach § 2079 BGB.

Die Veränderung der Rechtslage ist zu verneinen bei Beratung über:

Geburt eines Kindes als hinzukommender potentieller Erbe[69]
Ankündigung eines Kindes, nach dem Tode eines Elternteils Erbansprüche geltend zu machen[70]
Vermögensverfügung eines künftigen Erblassers durch Übertragung von Vermögensteilen an nicht erbberechtigte Dritte (= Schmälerung des künftigen erhofften Nachlasses)[71]
Verfügung des befreiten Vorerben zum Nachteil des Nacherben[72]
Verweigerung der Auskunft des Vorerben über Verbleib der Erbschaft[73]
Enterbung des Versicherungsnehmers durch einen zukünftigen Erblasser
Abschluss eines Erbvertrages[74] oder Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrages[75]
Beschränkung des Versicherungsnehmers auf das Pflichtteil, durch den voraussichtlichen Erblasser
Noch anzufertigendes Testament oder Ehe- und Erbvertrag[76]
Änderung eines Erbvertrages wegen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse[77]
Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages mit Erbenermittlungsgesellschaft[78]
Erbscheinerteilungsverfahren[79]
Absicht des Mandanten Gütergemeinschaft aufzulösen, die auf vor Versicherungsbeginn geschlossenen Erbvertrag basiert[80]
Änderung des Testaments nach Wiederverheiratung[81]
Beabsichtigte Scheidung oder Heirat.[82]

Als Grundsatz lässt sich festhalten: Beratungsrechtsschutz ist zu gewähren, wenn durch ein erbrechtliches Ereignis eine tatsächliche Rechtsänderung für den Mandanten eintritt, die eine Beratung erforderlich macht und keine prophylaktische Beratung erfolgt.

 

Rz. 69

Bei Vorliegen von mehreren Versicherungsfällen, über die beraten werden soll, ist wegen § 4 Abs. 2 S. 2 ARB immer der erste maßgeblich. Demgemäß kann nur Deckung für eine Beratung über den Versicherungsfall beantragt werden, der nach Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten ist.

 

Rz. 70

Das Abstellen auf den richtigen Zeitpunkt der Rechtslagenveränderung ist in den Fällen wichtig, wo z.B. der Mandant zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht versichert war.

Hiervon strikt zu trennen sind die Fälle von Beratungen, bei denen mehrere Versicherungsfälle Grundlage sind. Dann ist nach § 4 Abs. 2 S. 2 ARB der erste Versicherungsfall maßgeblich, wobei Fälle, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten sind oder eingetreten sein sollen.[83]

 

Rz. 71

In der Praxis am häufigsten vorkommen, sind wohl die Probleme des pflichtteilsberechtigten Mandanten oder des Erben, die zum Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht rechtsschutzversichert waren. Dann stellt sich die Frage, ob in derartigen Fällen dennoch ausnahmsweise Deckungsschutz zu erteilen wäre.

 

Rz. 72

Konsequenterweise ist dann rein auf den Beratungssachverhalt abzustellen, der die Beratung notwendig machte. Die Notwendigkeit einer Differenzierung soll nachfolgender Beispielsfall deutlich machen.

 

Beispiel

Der Mandant erscheint am 30.4.2017 in der Kanzlei. Der Vater des Mandanten ist am 31.3.2016 verstorben, ohne Hinterlassung eines Testamentes. Der Mandant ist seit dem 1.3.2017 rechtsschutzversichert mit selbigem Vertragsbeginn.

Bekanntlich ist Rechtsschutz für erbrechtliche Beratungen ab Vertragsbeginn zu gewähren. Die sonst übliche dreimonatige Warte gilt nicht. Wenn allerdings der Versicherungsfall vor Vertragsbeginn eingetreten ist, muss die Versicherung keinen D...

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