Rz. 490

Das angefochtene Urteil hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Die Revision wandte sich nicht gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts bezüglich des tatsächlichen Unfallhergangs. Sie machte allein geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass auch dem Beklagten zu 1 eine unfallursächliche Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, denn dieser habe gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 StVO) verstoßen. Diese Pflichtverletzung sei nicht geringer zu bewerten als der Fahrstreifenwechsel der Klägerin, denn bei den Richtungspfeilen, die im Straßenring des Falkenseer Platzes vor den Haltlinien der Lichtzeichenanlagen auf den Fahrstreifen angebracht seien, handele es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nur um Fahrtrichtungsempfehlungen und nicht um Gebote im Sinne von § 41 Abs. 1 StVO. Diese Rüge der Revision erwies sich als unbegründet. Das Berufungsgericht hatte mit Recht angenommen, dass die Klägerin, als sie mit ihrem Pkw nicht in die Neuendorfer Straße abbog, sondern im Straßenring des Falkenseer Platzes verblieb, gegen ein Fahrtrichtungsgebot verstieß.

 

Rz. 491

Gemäß § 41 Abs. 1 StVO hat jeder Verkehrsteilnehmer die durch Vorschriftszeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen. Zeichen 297 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO) ordnet ein Fahrtrichtungsgebot an. Wer ein Fahrzeug führt, muss der Fahrtrichtung auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung folgen, wenn zwischen den Pfeilen Leitlinien (Zeichen 340) oder Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) markiert sind. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelt es sich bei dem Straßenring des Falkenseer Platzes um eine mehrspurige Straße, deren Fahrstreifen jeweils durch Leitlinien (Zeichen 340) markiert sind. Vor der Haltlinie der Lichtzeichenanlage in Höhe der Einmündung der Straße "Am Juliusturm" befinden sich zwischen den Leitlinien Richtungspfeile. Da die Pfeile auf dem dritten Fahrstreifen von links, den die Klägerin befuhr, nach rechts weisen, gebieten sie gemäß Zeichen 297 der StVO als verbindliche Fahrtrichtung ein Abbiegen nach rechts auf der folgenden Kreuzung oder Einmündung.

 

Rz. 492

Mit Recht hatte das Berufungsgericht angenommen, dass diese nach rechts weisenden Richtungspfeile als Fahrtrichtung ein Abbiegen in die Neuendorfer Straße gebieten. Bei der Ausfahrt Neuendorfer Straße handelt es sich um die folgende Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO. Dem steht nicht entgegen, dass der Verkehrsteilnehmer nach der Haltlinie dieser Lichtzeichenanlage zunächst die in den Straßenring einmündende Richtungsfahrbahn der Straße "Am Juliusturm" passieren muss, bevor er nach rechts in die Neuendorfer Straße abbiegen kann. Die einmündende Richtungsfahrbahn ist nicht die nächste Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO, sondern eine nur in Gegenrichtung – als Einfahrt in den Straßenring – befahrbare Richtungsfahrbahn der einmündenden Straße "Am Juliusturm". Weist eine einmündende Straße – wie hier – zwei voneinander durch Mittelstreifen getrennte Richtungsfahrbahnen auf, handelt es sich nämlich nicht um zwei verschiedene Einmündungen, sondern, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, um eine einzige Straßeneinmündung.

 

Rz. 493

Für diese Auffassung spricht auch, dass auf Kreuzungen von Straßen mit voneinander durch Mittelstreifen getrennten Richtungsfahrbahnen der Linksabbieger im Allgemeinen zunächst die von links einmündende Richtungsfahrbahn (Gegenfahrbahn), in die er nicht einfahren darf, passieren muss, bevor er selbst nach links in die für ihn befahrbare Richtungsfahrbahn abbiegen kann. Würde man der Auffassung der Revision folgen, wäre die von ihm zunächst zu passierende Gegenfahrbahn der einmündenden Straße als folgende Einmündung im Sinne des Zeichens 297 der StVO anzusehen. Dies hätte zur Folge, dass Richtungspfeile vor solchen Kreuzungen grundsätzlich keinen Gebotscharakter hätten. Eine solche Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck von Fahrtrichtungsgeboten, die zu einem zügigen und sicheren Verkehrsfluss beitragen sollen, nicht vereinbar. Für von rechts einmündende Richtungsfahrbahnen einer Straße kann aber nichts anderes gelten als für Richtungsfahrbahnen von Straßen, die auf einer Kreuzung zusammentreffen.

 

Rz. 494

Die Überlegungen der Revision dazu, dass Ge- und Verbotszeichen sofort und aus sich selbst heraus verständlich sein müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.1975 – 4 StR 508/74, BGHSt 26, 73, 79 m.w.N.), vermochten nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Es mag sein, dass die Verkehrsführung auf dem großräumigen Straßenring des Falkenseer Platzes in Berlin-Spandau insbesondere von ortsunkundigen Kraftfahrern eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt. Diese ist jedoch gerade im Bereich von großen, stark befahrenen Kreuzungen und Einmündungen von jedem Verkehrsteilnehmer zu fordern. Von einer unklaren Verkehrsführung kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen jedenfalls keine Rede sein. Die zwischen den Leitlinien befindlichen Pfeile...

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