Rz. 394

BGH, Urt. v. 26.3.2019 – VI ZR 236/18, juris

Zitat

StVG § 7 Abs. 1

a) Die Realisierung des Schadens erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen steht der Zurechnung der Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen, wenn die beim Betrieb geschaffene Gefahrenlage solange fort- und nachwirkte.

b) Der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wird durch einen Sorgfaltspflichtverstoß eines mit der Schadensbeseitigung beauftragten Dritten in der Regel nicht unterbrochen.

a) Der Fall

 

Rz. 395

Der klagende Gebäude- und Hausratsversicherer machte im Wege des Direktanspruchs gegen die beklagten Kfz-Haftpflichtversicherer Ansprüche auf Ersatz materiellen Schadens aus Halterhaftung (§ 7 Abs. 1 StVG) geltend.

 

Rz. 396

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 2 verursachte mit ihrem Pkw Opel am 7.4.2015 gegen 14.30 Uhr – allein verschuldet – einen Verkehrsunfall, bei dem der Pkw Mercedes des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1 im Frontbereich erheblich beschädigt wurde. Der nach dem Unfall nicht mehr fahrbereite Pkw Mercedes wurde zunächst auf das Betriebsgelände eines Abschleppdienstes verbracht und von dort am nächsten Tag auf Veranlassung des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1 vom Zeugen J., der Inhaber eines Autohandels mit Kfz-Werkstatt war, abgeholt und auf sein Betriebsgelände geschleppt. Der Zeuge schob den Pkw Mercedes in seine Werkstatt und zog den Schlüssel; die Batterien klemmte er nicht ab. In der darauffolgenden Nacht auf den 9.4.2015 kam es gegen 0.30 Uhr zu einem Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz im Frontbereich des in der Werkstatt befindlichen Pkw Mercedes, der durch die mechanische Einwirkung auf die elektrischen Leiter in Folge des Unfallgeschehens ausgelöst wurde. Der Kurzschluss führte zu einem großflächigen Brand in der Werkstattgarage mit einem Übergreifen des Feuers auf das benachbarte Wohnhaus des Zeugen und die darin befindliche Wohnung der Mutter des Zeugen.

 

Rz. 397

Die Klägerin war Gebäudeversicherer des Zeugen und Hausratsversicherer seiner Mutter und macht gegen die Beklagten Ansprüche aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG und, soweit die Ansprüche des Zeugen wegen Unterversicherung gekürzt worden seien, nach Abtretung) geltend.

 

Rz. 398

Das Landgericht hat das Klagebegehren durch Grundurteil im Wesentlichen für gerechtfertigt erklärt, hinsichtlich des Wohngebäudeschadens jedoch nur unter Berücksichtigung einer Mitverschuldensquote der Klägerin von 40 %. Im Übrigen und hinsichtlich des begehrten Ersatzes vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat es die Klage durch Teilurteil abgewiesen. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen; die auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beschränkte Anschlussberufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, soweit sie nicht die Kürzung des geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz des Wohngebäudeschadens um 40 % bereits durch Beschränkung ihrer Anschlussberufung hingenommen hatte.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 399

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stand der Klägerin ein Anspruch aus § 7 StVG, § 115 VVG nicht zu. Es fehle im Streitfall an dem Zurechnungszusammenhang zwischen dem "Betrieb" der Kraftfahrzeuge und dem entstandenen Schaden im Sinne des § 7 StVG. Der Zurechnungszusammenhang werde unterbrochen, wenn nach einem vorangegangenen Unfall die unfallbeteiligten Fahrzeuge endgültig gesichert seien. Dies gelte erst recht, wenn – wie hier – der Schaden durch ein schuldhaftes Verhalten eines Dritten verursacht werde. Die Rechtslage sei nicht der Konstellation der Selbstentzündung eines Pkw vergleichbar, sondern derjenigen, in der ein Dritter den Wagen vorsätzlich in Brand setze. Im vorliegenden Fall habe der Zeuge J. grob fahrlässig in das Geschehen eingegriffen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe er beide Batterien in dem Mercedes abklemmen müssen, um einen Kurzschluss und damit den Brand zu verhindern. Das nicht getan zu haben, sei ihm als schuldhaftes Fehlverhalten anzulasten. Der Zeuge betreibe eine Kfz-Werkstatt und habe den Pkw Mercedes im Rahmen seiner Berufsausübung abgeschleppt. Dass er selbst seine Kfz-Lehre nicht abgeschlossen habe, entlaste ihn daher nicht.

 

Rz. 400

Das Unfallgeschehen sei soweit abgeschlossen gewesen, dass die beteiligten Fahrzeuge von der Unfallstelle bereits entfernt und sicher – sogar außerhalb des öffentlichen Verkehrsraumes – verwahrt gewesen seien. Das Zweitgeschehen stehe nicht mehr in einem hinreichend engen Zusammenhang mit der unfallspezifischen Gefahrensituation. Der Zweitschaden sei von dem Erstunfall räumlich und zeitlich deutlich entfernt und hinzu komme ein in die Kausalkette maßgeblich eintretender Dritter, der durch sein Verhalten den Schaden so "prägend" verursacht habe, dass der vorangegangene Betrieb nicht mehr adäquat kausal sei. Der Schaden sei nicht "im Eifer des Gefechts" entstanden, sondern eigenverantwortlich bei d...

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