Rz. 390

BGH, Urt. v. 21.1.2014 – VI ZR 253/13, VersR 2014, 396

Zitat

StVG § 7 Abs. 1; VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

a) Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.
b) Steht der Brand eines geparkten Kraftfahrzeugs in einem ursächlichen Zusammenhang mit dessen Betriebseinrichtungen, ist der dadurch verursachte Schaden an Rechtsgütern Dritter im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig der Betriebsgefahr zuzurechnen (Abgrenzung zum Senatsurt. v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, VersR 2008, 656).

a) Der Fall

 

Rz. 391

Der Kläger machte gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Beschädigung seines Fahrzeugs durch einen Brand des Fahrzeugs der Beklagten zu 2 geltend.

Am Nachmittag des 21.1.2012 stellte die Beklagte zu 2 ihren bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw in der Tiefgarage des von ihr mitbewohnten Hausanwesens ab. Der Kläger parkte seinen Pkw neben dem Fahrzeug der Beklagten zu 2. Am frühen Morgen des 23.1.2012 kurz nach 1.00 Uhr geriet der Pkw der Beklagten zu 2 aufgrund Selbstentzündung durch einen technischen Defekt in Brand, wodurch auch der Pkw des Klägers beschädigt wurde. Mit der vorliegenden Klage machte der Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner den ihm hierdurch entstandenen Schaden in Höhe von 2.924,20 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 316,18 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen, geltend. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht die Beklagten in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragten die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 392

Das Berufungsurteil hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hatte mit Recht einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG bejaht.

Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.

 

Rz. 393

Nach diesen Grundsätzen hatte das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Revision die Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers mit Recht der vom Fahrzeug der Beklagten zu 2 ausgehenden Betriebsgefahr zugerechnet. Der Schaden am Fahrzeug des Klägers stand in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit dem Brand des Kraftfahrzeugs der Beklagten zu 2, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den technischen Defekt einer Betriebseinrichtung dieses Fahrzeugs verursacht worden war. Dass Dritte durch den Defekt einer Betriebseinrichtung eines Kraftfahrzeugs an ihren Rechtsgütern einen Schaden erleiden, gehört zu den spezifischen Auswirkungen derjenigen Gefahren, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will. Dabei macht es rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand – etwa durch einen Kurzschluss der Batterie – unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG – wie die Revision meint – auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Bei der gebotenen wertenden Betrachtung ist das Schadensgeschehen jedoch auch in diesen Fällen – im Gegensatz etwa...

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