Rz. 379

BGH, Urt. v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, zfs 2008, 374 = VersR 2008, 656

Zitat

StVG § 7 Abs. 1

Allein durch das vorsätzliche Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeugs verwirklicht sich nicht dessen Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG bei einem Übergreifen des Brandes auf ein anderes Kraftfahrzeug. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht.

a) Der Fall

 

Rz. 380

Die Kläger begehrten Schadensersatz wegen eines Fahrzeugbrandes. Der Beklagte zu 1 stellte in den Abendstunden des 18.5.2003 seinen bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw auf einem öffentlichen Parkplatz ab. In der Nacht setzte ein Unbekannter den Pkw in Brand. Das brennende Fahrzeug rollte dann auf den in der Nähe stehenden, bei der Beklagten zu 1 versicherten Lkw der Klägerin zu 2 zu und setzte diesen ebenfalls in Brand.

 

Rz. 381

Die Klage, mit der die Klägerinnen aus eigenem bzw. übergegangenem Recht Schadensersatz verlangten, ist vom Landgericht abgewiesen worden. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagten antragsgemäß als Gesamtschuldner zur Zahlung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgten die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

b) Die rechtliche Beurteilung

 

Rz. 382

Das Berufungsgericht war der Auffassung, dass sich die Schadensersatzpflicht der Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 PflVG ergebe, weil der Lkw der Klägerin zu 2 "bei dem Betrieb" des Pkw des Beklagten zu 1 beschädigt worden sei.

 

Rz. 383

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hielt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich in dem Schadensfall allein durch das vorsätzliche Inbrandsetzen des ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Pkw nicht dessen Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht.

 

Rz. 384

Das Haftungsmerkmal "bei dem Betrieb" ist nach der Rechtsprechung des BGH entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasst daher alle durch den Kfz-Verkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genügt, dass sich eine von dem Kfz ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Diese weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals "bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs" entspricht dem weiten Schutzzweck des § 7 Abs. 1 StVG und findet darin ihre innere Rechtfertigung. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist sozusagen der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kfz – erlaubterweise – eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann "bei dem Betrieb" eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich von einem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahren ausgewirkt haben.

 

Rz. 385

Ob dies der Fall ist, muss mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An einem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehlt es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will.

 

Rz. 386

Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Erforderlich ist, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat.

 

Rz. 387

Nach diesen Grundsätzen konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Nach dem – vom Berufungsgericht offen gelassenen und deshalb revisionsrechtlich zu unterstellenden – Vorbringen der Beklagten war der Motor des Pkw durch den Brand nicht in Gang gesetzt worden. Hiernach hatte allein die aufgrund der starken Hitzeentwicklung freigesetzte Energie den Pkw etwa 1 Meter bis 1,50 Meter vorrollen lassen, was für das Überspringen des Feuers auf den Lkw ohnehin keine Bedeutung hatte.

 

Rz. 388

Bei einem solchen Hergang stand der Brandschaden an dem Lkw der Klägerin zu 2 weder in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang noch einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz, sondern beruhte ausschließlich darauf, dass ein unbekannter Dritter den auf dem Parkplatz abgestellten Pkw des Beklagten zu 1 vorsätzlich in Brand gesetzt hatte. In diesem Fall fehlt es an dem im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang, weil die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Allein der Umstand, dass Kraftfahrzeuge wegen der mitgeführten Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, reicht nicht aus, um eine Haftung nach ...

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