Rz. 11

 

§ 680 BGB: Geschäftsführung zur Gefahrenabwehr

Bezweckt die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr, so hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.

 

Rz. 12

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist ein gesetzliches Schuldverhältnis.[16] Soll die Geschäftsführung von dem Geschäftsherrn eine dringende Gefahr für Leib oder Leben abwenden, hat der Geschäftsführer bei dieser Rettungsaktion einen Unfall verursacht und ist dadurch der Geschäftsherr verletzt worden, so haftet der Geschäftsführer nur, wenn er sich vorsätzlich oder grob fahrlässig verhalten hat. Es muss sich um eine gegenwärtig drohende Gefahr für die Person des Geschäftsführers oder eines seiner Angehörigen handeln.[17] Die Gefahr braucht allerdings objektiv nicht einmal vorzuliegen; es reicht schon, dass der Geschäftsführer ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit für gegeben erachtet; das liegt in dem Ausdruck "bezweckt".[18] Der Geschäftsherr kann nicht unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gegen den Geschäftsführer vorgehen und damit die Haftungsmilderung umgehen.[19] Trifft auch § 839 BGB in einem solchen Fall zu – etwa dann, wenn der Geschäftsführer verbeamtet ist – so kann sich die Anstellungskörperschaft nicht auf die Haftung eines Dritten nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB berufen.[20] Ist bei dem Unfall auch der Geschäftsführer zu Schaden gekommen, gilt § 680 BGB in umgekehrter Richtung: Er hat Anspruch auf vollen Schadensersatz gegen den Geschäftsherrn, wenn ihm selbst nur leichte oder mittlere Fahrlässigkeit zur Last fällt. Hinsichtlich § 680 BGB ist streitig, ob die Vorschrift auf professionelle Nothelfer wie beispielsweise Notärzte oder Rettungssanitäter anwendbar ist. Hat ein Arzt oder Sanitäter eine Tätigkeit im Bereich der Notfallmedizin gewählt, sprechen gute Gründe dafür, das Haftungsprivileg des § 680 BGB zu versagen. Denn dieser Personenkreis stellt sich bewusst und gewollt für medizinische Hilfeleistung in Notfällen zur Verfügung und wird dafür bezahlt. Für ihn ist ein Unglücksfall beruflicher Alltag. Dagegen kann einem zufällig in seiner Freizeit am Unglücksort anwesenden Gynäkologen unter den konkreten Einzelfallumständen die Haftungsmilderung des § 680 BGB zugutekommen.[21]

[16] Vgl. Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, Einf. vor § 677 BGB Rn 2.
[17] BGH, VersR 1970, 620.
[18] Vgl. Palandt/Sprau, 79. Aufl. 2020, § 680 BGB Rn 2 m.w.N. auch zu a.A.
[19] BGH, Urt. v. 30.11.1971 – VI ZR 100/70, NJW 1972, 475; OLG Hamburg, Urt. v. 5.1.1984 – 6 U 207/83, VersR 1984, 759.
[20] BGHZ 63, 171.

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