1. Vorbemerkung

 

Rz. 48

Während in den früheren Haftpflichtbestimmungen das Anerkenntnisverbot die Regel war, verbietet § 105 VVG ausdrücklich eine Vereinbarung "nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt."

 

Rz. 49

Die Neuregelung in § 105 VVG führt zu einer erheblichen Besserstellung des Versicherungsnehmers. Der Versicherungsnehmer entscheidet zunächst in eigener Verantwortung, ob er den gegen ihn geltend gemachten Schadenersatzanspruch anerkennt oder befriedigt. Hierdurch ist der Versicherer jedoch nicht präjudiziert: Bestand keine Leistungspflicht des Versicherungsnehmers oder war der verursachte Schaden nicht von der Haftpflichtversicherung gedeckt, besteht auch kein Erstattungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen seinen Haftpflichtversicherer.

 

Beispiel

Die Mutter eines sechsjährigen Sohnes beobachtet ihr Kind auf dem Spielplatz. Sie sieht, dass ihr Kind einem anderen Kind die Brille herabreißt und zertrampelt, bevor die Mutter eingreifen kann.

 

Rz. 50

Hier ist nicht von einer Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Mutter auszugehen, so dass sie auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet ist. Selbst wenn die Mutter den Schaden ersetzt, besteht kein Erstattungsanspruch gegenüber dem Haftpflichtversicherer.

 

Hinweis

Das Bestehen einer Haftpflichtversicherung ersetzt keine Anspruchsgrundlage!

2. Bedeutung

 

Rz. 51

In vielen Fällen wird der Versicherungsnehmer seine Schadenersatzpflicht anerkennen, insbesondere dann, wenn sich der Schaden in seinem familiären oder nachbarschaftlichen Bereich ereignet hat. Dieses Anerkenntnis erfolgt meistens im Vertrauen darauf, dass der Haftpflichtversicherer den Schaden regulieren wird.

 

Rz. 52

Wenn dann der Versicherungsnehmer erfährt, dass er ein Anerkenntnis abgegeben hat, ohne dass hierzu eine haftungsrechtliche Verpflichtung bestand, kann im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, dieses Anerkenntnis nach § 812 Abs. 1 BGB zu kondizieren.

Bindend für den Haftpflichtversicherer ist ein derartiges Anerkenntnis in keinem Fall.

3. Befriedigung

 

Rz. 53

Das früher in den Versicherungsbedingungen vereinbarte Befriedigungsverbot ist gemäß § 105 VVG 2008 unwirksam. Ein Versicherungsnehmer darf daher einen von ihm angerichteten Schaden regulieren und kann dann Ersatz von seinem Haftpflichtversicherer verlangen.

Bei der Befriedigung von Schadenersatzansprüchen geht der Versicherungsnehmer jedoch das Risiko ein, dass der Versicherer den gezahlten Betrag nicht erstattet, da er auch insoweit Einwendungen zum Haftungsgrund und zur Schadenhöhe erheben kann.

 

Beispiel

Der minderjährige Sohn des Versicherungsnehmers beschädigt mit seinem Fahrrad ein verbotswidrig parkendes Fahrzeug des Nachbarn. Der Vater einigt sich mit dem Nachbarn auf einen Betrag von 500 EUR, der von ihm gezahlt wird.

 

Rz. 54

Der Versicherer kann mit Erfolg einwenden, dass ein mitwirkendes Verschulden des Nachbarn zu berücksichtigen ist oder ein Vorschaden am Fahrzeug.

4. Kollusion

 

Rz. 55

Die Gefahr eines kollusiven Verhaltens zwischen Versicherungsnehmer und Geschädigtem bestand zwar auch nach früherer Rechtslage, sie wird jedoch durch die Neuregelung in § 105 VVG vergrößert.

 

Beispiel

Der Versicherungsnehmer behauptet, sein sechsjähriger Sohn habe mit dem Fahrrad das Fahrzeug eines Bekannten beschädigt. Zur Vermeidung eines Rechtsstreits und im Interesse des nachbarschaftlichen Verhältnisses sei ein Betrag in Höhe von 1.000 EUR gezahlt worden.

5. Abtretung

 

Rz. 56

Der Geschädigte kann unmittelbar – auch im gerichtlichen Verfahren – gegen den Haftpflichtversicherer vorgehen, soweit der Versicherungsnehmer seinen Freistellungsanspruch an ihn abgetreten hat.

 

Rz. 57

Eine Vielzahl von Konflikten in der Vergangenheit wird durch diese Regelung entschärft: Oft wollte der Versicherungsnehmer, dass der von ihm angerichtete Schaden reguliert wird, musste sich jedoch in der Vergangenheit auch gegen seine Willen auf einen Rechtsstreit einlassen, wenn der Versicherer der Auffassung war, dass ein haftungsbegründender Tatbestand nicht vorlag.

 

Rz. 58

Im Rechtsstreit des Geschädigten gegen den Versicherer kann der Versicherungsnehmer als Zeuge fungieren. Wenn der Versicherungsnehmer seine Schadenersatzpflicht bestreitet, wird der Geschädigte – wie bisher – den Versicherungsnehmer verklagen, um dessen Vernehmung als Zeugen zu verhindern.

 

Rz. 59

§ 108 Abs. 2 VVG betrifft lediglich die Abtretung "an den Dritten", also den Geschädigten. Demgegenüber kann in den AHB die Abtretung an andere Personen ausgeschlossen werden. Folgerichtig heißt es in Nr. 28 AHB 2008/2010:

Zitat

"Der Freistellungsanspruch darf vor seiner endgültigen Feststellung ohne Zustimmung des Versicherers weder abgetreten noch verpfändet werden. Eine Abtretung an den geschädigten Dritten ist zulässig."

 

Rz. 60

Wird daher bei einem eintrittspflichtigen Haftungsfall ein Kraftfahrzeug beschädigt, kann der Freistellungsanspruch nur an den geschädigten Eigentümer, nicht jedoch an die Werkstatt abgetreten werden, in der die Reparaturarbeiten durchg...

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