I. Vorbemerkung

 

Rz. 19

Die Neuregelung der Obliegenheiten und der Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen (§ 28 VVG) ist in den AHB 2008/2010 berücksichtigt worden, findet jedoch auch Anwendung auf Altverträge, wenn der Versicherungsfall nach dem 1.1.2009 eingetreten ist (Art. 1 Abs. 2 EG VVG).

 

Rz. 20

Kernstück des neuen VVG ist die Neugestaltung des Obliegenheitsrechts: Fahrlässige Obliegenheitsverletzungen bleiben folgenlos, grob fahrlässige Obliegenheitsverletzungen führen zur partiellen, vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers.

 

Rz. 21

Diese Leistungsfreiheit tritt jedoch nur dann ein, wenn die Obliegenheitsverletzung ursächlich für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles ist (§ 28 Abs. 3 VVG).

 

Rz. 22

Die nach Eintritt des Versicherungsfalles bestehende Auskunfts- oder Aufklärungsobliegenheitsverletzung kann nur dann einen Leistungsausschluss bewirken, wenn "der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat" (§ 28 Abs. 4 VVG).

 

Rz. 23

Das Kausalitätserfordernis entfällt nur bei Arglist (§ 28 Abs. 3 S. 2 VVG).

Die Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen sind unterschiedlich geregelt. Es wird darauf abgestellt, ob es sich um Verletzung vorvertraglicher Obliegenheiten, Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles oder Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles handelt.

II. Vorvertragliche Obliegenheiten (Nr. 23 AHB 2008/2010)

 

Rz. 24

Der Versicherungsnehmer hat vor Vertragsschluss dem Versicherer alle ihm bekannten Gefahrumstände anzuzeigen, nach denen in Textform gefragt wird. Nr. 23 AHB 2008/2010 entspricht inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben in § 19 VVG. Vorvertragliche Obliegenheitsverletzungen spielen in der Praxis keine große Rolle. Auch für die älteren AHB gilt nunmehr die gesetzliche Regelung, dass statt Kündigung auch eine Vertragsanpassung in Betracht kommt.

III. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles (Nr. 24 AHB 2008/2010)

 

Rz. 25

Vertragliche Obliegenheiten, die vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen sind, spielen in der Haftpflichtversicherung keine große Rolle. Auch die früheren AHB sahen vor, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufgeben kann, besonders gefahrdrohende Umstände zu beseitigen.

 

Beispiel

Dem Versicherungsnehmer wird auferlegt, einen gefährlichen Hund nur mit Maulkorb auszuführen.

IV. Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles (Nr. 25 AHB 2008/2010)

 

Rz. 26

In der Regulierungspraxis von besonderer Bedeutung sind die Obliegenheiten des Versicherungsnehmers, die dieser nach Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllen hat.

1. Anzeigepflicht (Nr. 25.1 AHB 2008/2010)

 

Rz. 27

Während § 104 VVG vorsieht, dass ein Schadenfall innerhalb von einer Woche anzuzeigen ist, bestimmt Nr. 25.1 AHB 2008/2010, dass jeder Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen ist, "auch wenn noch keine Schadenersatzansprüche erhoben wurden".

 

Rz. 28

Der Versicherer muss den objektiven Tatbestand der Anzeigenpflichtverletzung beweisen, also auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers vom Eintritt des Versicherungsfalles.[18]

2. Schadenminderungspflicht (Nr. 25.2 AHB 2008/2010)

 

Rz. 29

Nach § 82 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer "bei Eintritt des Versicherungsfalles nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen". Eine entsprechende Regelung enthalten die früheren AHB. Die § 82 VVG angepasste Regelung ergibt sich aus Nr. 25.2 AHB 2008/2010.

 

Rz. 30

Nr. 25.2 AHB 2008/2010 bestimmt dann weiterhin die Pflicht des Versicherungsnehmers, Weisungen des Versicherers zu befolgen, "soweit es für den Versicherungsnehmer zumutbar ist".

3. Auskunftspflicht (Nr. 25.2 AHB 2008/2010)

 

Rz. 31

Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer "ausführliche und wahrheitsgemäße Schadenberichte zu erstatten und ihn bei der Schadenermittlung und -regulierung zu unterstützen".

 

Rz. 32

Diese Auskunftspflicht wird als Obliegenheit in den früheren AHB und in Nr. 35.3 AHB 2008/2010 dahingehend erweitert, dass ein strafrechtliches oder zivilrechtliches Verfahren unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen ist.

4. Prozessführungsbefugnis (Nr. 25.5 AHB 2008/2010)

 

Rz. 33

Der Versicherungsnehmer hat die Führung des Verfahrens dem Versicherer zu überlassen, dem vom Versicherer beauftragten Rechtsanwalt Vollmacht und alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen.

V. Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen (Nr. 26 AHB 2008/2010)

 

Rz. 34

Nur grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz bei Obliegenheitsverletzungen können die Leistungspflicht des Versicherers partiell oder vollständig entfallen lassen, einfache Fahrlässigkeit kann allenfalls zur Kündigung des Versicherungsvertrages führen, die Leistungspflicht des Versicherers für bereits eingetretene Schadenfälle bleibt jedoch bestehen.

1. Einfache Fahrlässigkeit (Nr. 26.1 AHB 2008/2010)

 

Rz. 35

Bei einfacher Fahrlässigkeit kann der Versicherer den Versicherungsvertrag "innerhalb eines Monats ab Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung fristlos kündigen". Die Kündigung wirkt ex nunc, so dass die Leistungspflicht für bereits eingetretene Schadenfälle bestehen bleibt.

2. Grobe Fahrlässigkeit (Nr. 26.2 AHB 2008/2010)

 

Rz. 36

Verletzt der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit grob fahrlässig, "ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen". Diese Regelung findet auch auf Altverträge Anwendung, denen die früheren AHB zugrunde liegen. In 26.2 AHB 2008/2010 ist der Gese...

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