Rz. 35

Ein Nervenschock, den ein Angehöriger des Geschädigten dadurch erleidet, dass er Augenzeuge des Unfalls war, wird dem Schädiger adäquat kausal zugerechnet, wenn die Gesundheitsverletzung echten Krankheitswert (BGH VersR 1996, 990; BGH VersR 1998, 201) hat (unmittelbarer Schockschaden). Zum Miterleben des Unfalltodes der Ehefrau und Mutter und den daraus resultierenden psychischen Störungen von Krankheitswert aus dem Schockerlebnis vgl. auch BGH zfs 2001, 305.

 

Rz. 36

Erleidet ein naher Angehöriger aus Aufregung über einen nicht allzu gravierenden Verkehrsunfall eine Gehirnblutung, so kann die Haftung der für den Unfall Verantwortlichen für die Folgen dieser Gesundheitsbeschädigung wegen fehlenden Zurechnungszusammenhangs ausgeschlossen sein (OLG Nürnberg DAR 2006, 635).

 

Rz. 37

Ein Schlaganfall eines nahen Angehörigen ist dem Schädiger nicht zurechenbar, wenn die Unfallmitteilung und das Geschehen am Unfallort selbst – und damit der erlittene Schlaganfall – dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sind und keine außergewöhnliche unfallbedingte Belastung für den Angehörigen bedeuteten. Der durch den Schock erlittene Schlaganfall eines nahen Angehörigen ist als psychisch vermittelte organische Verletzung grundsätzlich ersatzfähiger eigener Gesundheitsschaden und nicht Drittschaden. Die Zurechnung solcher Schäden scheitert grundsätzlich auch nicht daran, dass der Verletzte infolge einer körperlichen Disposition besonders anfällig für den eingetretenen Schaden ist; denn der Schädiger hat keinen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als habe er einen bis dahin Gesunden verletzt (BGH MDR 2000, 267; KG NZV 2003, 328, 329).

 

Rz. 38

Die Kausalitätsfeststellung im Sinne eines logischen Bedingungszusammenhangs muss in den Fällen psychisch vermittelter Kausalität aber durch eine wertende Betrachtungsweise einschränkend korrigiert werden (OLG Nürnberg DAR 2006, 635).

 

Rz. 39

Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze kann der Schlaganfall eines Angehörigen nicht zugerechnet werden, wenn sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angehörige durch die Bitte, an den Unfallort zu kommen, Anlass hatte, etwa von einer lebensbedrohenden Situation auszugehen. Das ist z.B. der Fall, wenn nach dem Eintreffen des Angehörigen an der Unfallstelle sich kein Bild außergewöhnlicher Dramatik oder schwerer Gefahrenlage bot, das Anlass zu außergewöhnlicher Beunruhigung gegeben hätte (OLG Nürnberg a.a.O.).

 

Rz. 40

Aber auch ein so genannter Fernwirkungsschockschaden kann als adäquate Unfallfolge zur Schadensersatzverpflichtung führen, z.B. Schock über den gerade mitgeteilten Unfalltod eines nahen Angehörigen, sofern er pathologisch fassbar ist und deshalb nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit angesehen werden kann (BGH zfs 1989, 298).

 

Rz. 41

Ob dies der Fall ist, muss im Einzelfall von einem Arzt festgestellt werden (OLG Stuttgart NJW RR 1989, 477; OLG Frankfurt JZ 1982, 201 und BGHZ 56, 163).

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