Rz. 26

In einer Gemeinschaft mit einem amtierenden Verwalter ist die Einholung von Vergleichsangeboten jedenfalls dann erforderlich, wenn schon bekannt ist, dass der amtierende Verwalter sich nicht um die Fortführung der Verwaltung bewirbt oder wenn sich die Wohnungseigentümer die Möglichkeit der Wahl eines anderen Verwalters eröffnen wollen. Weil die Einholung von Angeboten nicht Aufgabe des amtierenden Verwalters ist (→ § 10 Rdn 20), ist eine paradox anmutende Situation die Folge: Unter dem Gesichtspunkt ordnungsmäßiger Verwaltung sind die Alternativangebote erforderlich; aber niemand ist zu ihrer Einholung verpflichtet. Die Initiative zur Einholung von Angeboten muss zwangsläufig von den Wohnungseigentümern ausgehen. Im Prinzip ist dabei jeder Miteigentümer gefordert (aber nicht im Sinne einer Rechtspflicht) und kann aktiv werden; in der Praxis kümmert sich meistens der Verwaltungsbeirat darum. Am besten ist es, wenn die Verwalterneuwahl frühzeitig und per Beschluss vorbereitet wird. Damit zweckdienliche "Vorbereitungsbeschlüsse" gefasst werden können, muss das Thema "Vorbereitung der Verwalterwahl" schon in dem Jahr, das dem Ende der laufenden Bestellungszeit vorhergeht, auf die Tagesordnung genommen werden. Üblich ist es, den Verwaltungsbeirat oder einzelne Wohnungseigentümer mit einer Vorauswahl zu betrauen.

 

Rz. 27

Muster 10.2: Beschluss zur Vorbereitung der Verwalterneuwahl

 

Muster 10.2: Beschluss zur Vorbereitung der Verwalterneuwahl

Zur Vorbereitung der im Jahr 2023 anstehenden Verwalterbestellung wird der Verwaltungsbeirat beauftragt, mehrere Angebote von Verwaltern einzuholen. Der Verwaltungsbeirat soll eine Vorauswahl treffen, sodass in der Eigentümerversammlung 2023 zwei oder drei Bewerber – abgesehen vom jetzigen Verwalter – zur Wahl stehen.

 

Rz. 28

Wird der Beirat entsprechend dem vorstehenden Muster beauftragt, wird er mit verschiedenen Verwaltern Kontakt aufnehmen und eine Objektbegehung mit anschließender Besprechung organisieren. Die zwei oder drei interessantesten Bewerber werden gebeten, ein Angebot in Textform abzugeben, zweckmäßigerweise in Gestalt eines Vertragsentwurfs. Über die Angebote müssen die Miteigentümer vor der Beschlussfassung informiert werden. Sie müssen, so der BGH, "Erkundigungen über die Bewerber – etwa über das Internet – einziehen und sich ein Bild darüber verschaffen können, ob der jeweilige Bewerber fachlich geeignet ist, die Wohnungseigentümergemeinschaft zu verwalten. Zudem ist eine Kenntnis der Angebotskonditionen notwendig, um einen tragfähigen Vergleich zwischen den Angeboten der Bewerber anstellen und die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote beurteilen zu können."[32] Der BGH verlangt, dass die Angebote regelmäßig innerhalb der Einladungsfrist vorliegen müssen, demnach gem. § 24 Abs. 4 WEG drei Wochen vor der Versammlung. Es ist üblich, die Angebote zusammen mit der Einladung zur Versammlung an alle Miteigentümer zu versenden; der Versand kann auch kostengünstig per E-Mail erfolgen oder es kann den Eigentümern ein Link zu einer Internetseite zur Verfügung gestellt werden, auf der die Angebote eingesehen werden können; es gilt nichts anderes als für die Informationspflicht im Vorfeld von Baubeschlüssen (→ § 4 Rdn 15). Es kann auch ausreichen, wenn den Wohnungseigentümern die Namen der Bewerber sowie die Eckpunkte ihrer Angebote (Laufzeit und Vergütung) mitgeteilt werden, wobei darzustellen ist, ob eine Pauschalvergütung oder eine Vergütung mit mehreren Vergütungsbestandteilen angeboten wird; außerdem muss den dies wünschenden Eigentümern eine Kenntnisnahme der vollständigen Angebote ermöglicht werden.[33] Sollten nicht rechtzeitig ausreichende Vergleichsangebote vorliegen, ist das für sich genommen kein zwingender Grund für eine Ungültigerklärung des Bestellungsbeschlusses; vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. So kann es sein, dass der amtierende Verwalter den Versand der von einzelnen Eigentümern eingeholten Vergleichsangebote (pflichtwidrig) verweigerte und die einzelnen Miteigentümer nicht in der Lage oder nicht dazu bereit waren, den Versand daraufhin auf eigene Kosten zu übernehmen. Auch kann es sein, dass noch "in letzter Minute" Angebote eintrafen, deren Versand vor der entscheidenden Versammlung nicht mehr bewerkstelligt werden konnte. In solchen Fällen kann die Rechtmäßigkeit einer gleichwohl erfolgten Verwalterbestellung nach hier vertretener Auffassung nicht an der fehlenden Übersendung der Angebote an die Eigentümer scheitern.

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