Rz. 74

Dass eine über den Tod des Vollmachtgebers hinaus wirkende Vollmacht auch als Generalvollmacht – in der Praxis sehr häufig als Vorsorgevollmacht – erteilt werden kann, ist allgemein anerkannt.[38] Rechtsfolge der Vollmacht über den Tod hinaus ist, dass der Bevollmächtigte nach dem Tode des Vollmachtgebers dessen Erben in Bezug auf den Nachlass vertritt, auch wenn diese unbekannt sind.[39] Zwar wird sehr häufig beim Vorhandensein eines transmortal Bevollmächtigten ein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft nicht bejaht werden, anders ist dies jedoch, wenn die Nachlasspflegschaft lediglich für einen oder mehrere Erbteile angeordnet ist. Da der Bevollmächtigte seine Befugnis vom Erblasser herleitet, kann er alle Rechtsgeschäfte so vornehmen, wie dieser es hätte tun können.[40] Der Bevollmächtigte kann Umschreibungen von Nachlassgrundstücken im Grundbuch veranlassen, ohne den Erben namhaft zu machen.[41]

 

Rz. 75

Seit dem Beschluss des Reichsgerichts vom 28.6.1916[42] ist es unstreitig, dass der über den Tod des Vollmachtgebers hinaus von diesem Bevollmächtigte im Grundbuchverkehr keinen Erbnachweis vorzulegen braucht, so lange die Vollmacht noch besteht und sofern die Erben nicht im Grundbuch einzutragen sind.[43]

An die Stelle des ursprünglichen Vollmachtgebers, des Erblassers, sind nunmehr ihre Erben als Vollmachtgeber getreten. Diese materiell-rechtliche Rechtsfolge braucht dem Grundbuchamt aber nicht in der Form eines Erbscheins oder eines diesem gleichgestellten Erbnachweises (§ 35 GBO), aus dem die Personen der Erben ersichtlich wären, nachgewiesen zu werden. Die Erben brauchen nicht einmal genannt zu werden. Vielmehr ergibt sich diese Rechtsfolge daraus, dass die Vollmacht über den Tod hinaus erteilt wurde, was zweifelsfrei materiell-rechtlich möglich ist.

 

Rz. 76

Das OLG Hamm vertritt jedoch die Auffassung, dass dies nicht gelte, wenn der Bevollmächtigte zugleich Alleinerbe sei.[44] Begründet wird dies damit, dass durch die Alleinerbenstellung eine Personenverschiedenheit zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen nicht mehr vorhanden sei. Die Vollmacht würde daher in dieser Fallkonstellation durch Konfusion erlöschen. Die Annahme eines Fortbestandes der Vollmacht für den Alleinerben würde eine Fiktion darstellen, welche im Gesetz keine Grundlage finden würde. Dies überzeugt jedoch nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die rechtlichen Möglichkeiten eines nicht erbberechtigten Bevollmächtigten weiter gehen sollen, als die des bevollmächtigten Alleinerben. Im Übrigen ist dem Gesetz die Fiktion einer Trennung des Nachlassvermögens vom Eigenvermögen des Erben nicht wesensfremd, wie die §§ 1990, 1991 Abs. 2, 2143, 2175 und 2377 BGB zeigen. Das OLG München weist zudem zutreffend darauf hin, dass ohne Vorliegen eines Erbscheins, das Grundbuchamt gar keine Möglichkeit hat, sich eine Überzeugung im Hinblick auf die Erbfolge zu bilden, da allein eine Beurteilung beispielsweise aufgrund eines handschriftlichen Testamentes dem Grundsatz der strikten Nachweisbeschränkung widersprechen würde. Zudem blieben die vielfältigen Möglichkeiten, die die mutmaßliche Alleinerbenstellung ausschließen könnten, wie z.B. Errichtungsmängel und Anfechtungsmöglichkeiten, unberücksichtigt.[45] Der Fortbestand der Legitimationswirkung einer Vollmachtsurkunde ist daher unabhängig von der Frage der Erbenstellung.

Hat der Alleinerbe die Erbschaft noch nicht angenommmen, so dürfte selbst unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Auffassung des OLG Hamm ein Erlöschen der Vollmacht nicht in Betracht kommen, da ihm bis dahin noch das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft (§ 1942 BGB) zusteht.

Zu beachten gilt vorliegend jedoch, dass die Grundbuchberichtigung durch den von § 181 BGB befreiten Bevollmächtigten auf seinen Namen nicht die Gebührenbefreiung nach Abs. 1 zu KV 14110 GNotKG auslöst, da der Bevollmächtigte gerade nicht als Erbe eingetragen wird.[46]

 

Rz. 77

Soll das Eigentum an einem Nachlassgrundstück gemäß der erklärten Auflassung (§ 925 BGB), der Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) und dem gestellten Eintragungsantrag (§ 13GBO) sofort ohne vorherige Berichtigung des Grundbuchs durch (Vor-)Eintragung der Erben auf einen Erwerber eingetragen werden, so ist die Voreintragung der Erben (§ 39 GBO) als Rechtsnachfolger (§ 1922 BGB) aufgrund der Ausnahmeregelung des § 40 Abs. 1 GBO (Übertragung eines Rechts) nicht erforderlich.[47]

[38] Staudinger/Schilken § 168 Rn 28; Michalski, WuM 1997, 658; Bork, JZ 1988, 1059; Trapp, ZEV 1995, 314; Seif, AcP 200, 192.
[39] BGHZ 87, 20, 25; BGH FamRZ 1983, 477; OLG Hamburg DNotZ 1967, 31; Bamberger/Roth/Habermeier, § 168 Rn 10; Erman/Palm, § 168 Rn 5; MüKo/Schramm, § 168 Rn 33; Soergel/Leptien, § 168 Rn 31; Finger, NJW 1969, 1624; Petersen, Jura 2003, 310, 311; Saar/Posselt, JuS 2002, 78, 779 m.w.N.
[40] OLG Hamburg DNotZ 1967, 31.
[41] OLG Hamburg DNotZ 1967, 31.
[42] RGZ 88, 345.
[43] RG in RGZ 88, 345, [349]: "Ist nun aber die Eintragung der Erben als Zwischeninhaber … bei deren Umschreibung nicht erfor...

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