1. Unklarheit der Erbfolge

 

Rz. 4

Regelmäßig wird dem Nachlassgericht der Tod einer Person durch Anzeige des Standesbeamten bekannt. Da die Mitteilung des Standesamts an das Nachlassgericht im Rahmen eines verwaltungsmäßigen Verfahrens erfolgt, vergehen zumindest mehrere Tage zwischen dem Tod einer Person und dessen Bekanntwerden beim Nachlassgericht. In der Zwischenzeit können Veränderungen im Bestand des Nachlasses vorgenommen worden sein oder – was so selten nicht geschieht – privatschriftliche Testamente beseitigt worden sein.

 

Rz. 5

Bis zur Ermittlung der Erben kann weitere Zeit verstreichen, während der einerseits unklar ist, wer über die Nachlassgegenstände verfügungsberechtigt ist und während der möglicherweise Nichtberechtigte Verfügungen vornehmen und auf diese Weise den Nachlass schmälern.

 

Rz. 6

Deshalb ist unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des Nachlassbestandes zu empfehlen, dass der Erblasser einer Vertrauensperson eine postmortale oder eine transmortale Vollmacht erteilt, um die Zeit zwischen dem Erbfall und der zuverlässigen Feststellung der Erbfolge zu überbrücken. Ein Bevollmächtigter ist in jedem Falle befugt, sofort nach dem Erbfall Anordnungen zur Sicherung des Nachlassbestandes zu treffen und gegebenenfalls entsprechende Verfügungen vorzunehmen, noch bevor der endgültig Verfügungsberechtigte feststeht. Dies gilt auch für den Fall, dass der Erblasser einen Testamentsvollstrecker eingesetzt hat, weil das Amt des Testamentsvollstreckers erst mit der ausdrücklichen Amtsannahme gegenüber dem Nachlassgericht beginnt (§ 2202 Abs. 1 BGB).[1]

(Zur Vollmacht siehe oben § 7 Rdn 663 ff.).

[1] Vgl. hierzu BGH NJW 1962, 1718; OLG München, Beschl. v. 15.11.2011 – 34 Wx 388/11, DNotZ 2012, 303 = FamRZ 2012, 1004 = ZErb 2012, 18 = ZEV 2012, 376; Merkel, Die Anordnung der Testamentsvollstreckung – Auswirkungen auf eine postmortale Bankvollmacht, WM 1987, 1001 ff.; Michalski, Postmortale Grundstücksvollmacht, WuM 1997, 658; Werkmüller, Vollmacht und Testamentsvollstreckung als Instrumente der Nachfolgegestaltung bei Bankkonten, ZEV 2000, 305.

2. Sicherung des Erblasserwillens

a) Amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen

 

Rz. 7

Zur Sicherung der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen ist deren amtliche Verwahrung sinnvoll, da so sichergestellt ist, dass der Inhalt auch bekannt wird. Die Amtsgerichte sind für die besondere amtliche Verwahrung zuständig, § 344 FamFG, funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2c RPflG. Die Landesregierungen können die Aufgabe auf den Urkundsbeamten übertragen, § 36b RPflG.

b) Örtliche Zuständigkeit

aa) Notariell beurkundetes Testament

 

Rz. 8

Beim notariell beurkundeten Testament ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Notar seinen Amtssitz hat, § 344 Abs. 1 Nr. 1 FamFG.

bb) Eigenhändiges Testament

 

Rz. 9

Das privatschriftliche einseitige oder gemeinsame Testament (§§ 2247, 2267 BGB) kann bei jedem Amtsgericht verwahrt werden, § 344 Abs. 1 Nr. 3 FamFG.

cc) Nottestament – Bürgermeistertestament

 

Rz. 10

Das vor dem Bürgermeister errichtete Nottestament (§ 2249 BGB) ist bei dem Amtsgericht zu verwahren, zu dessen Bezirk die Gemeinde gehört, § 344 Abs. 1 Nr. 2 FamFG.

dd) Erbverträge

 

Rz. 11

Die gleichen Regeln gelten auch für Erbverträge, § 344 Abs. 1 bis 3 FamFG.

c) Benachrichtigung des Geburtsstandesamts

 

Rz. 12

Das Standesamt des Geburtsorts des Erblassers ist von der erfolgten Verwahrung zu benachrichtigen. Liegt dies außerhalb Deutschlands, so ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zu benachrichtigen. Seit 1.1.2012 ist bei der Bundesnotarkammer mit Sitz in Berlin das Zentrale Testamentsregister eingerichtet, wohin die Notare und alle verwahrenden Stellen Testamente und Erbverträge zu melden haben. Auch die Standesämter haben die bei ihnen bereits registrierten Verfügungen von Todes wegen dorthin zu melden. Wann dieses "Nachmeldeverfahren" abgeschlossen sein wird, ist noch unklar. Das Geburtsstandesamt bzw. das AG Berlin-Schöneberg wird beim Tod des Erblassers vom Standesamt des Sterbeortes verständigt und benachrichtigt nun seinerseits das Zentrale Testamentsregister, das wiederum das verwahrende Gericht bzw. Staatliche Notariat und das Nachlassgericht zu verständigen hat. Daraufhin hat die verwahrende Stelle (Amtsgericht, Staatliches Notariat, Notar) die Verfügung von Todes wegen an das Nachlassgericht zu übersenden.[2] Errichtet der Erblasser ein privatschriftliches Testament, so kann er auch dieses in die besondere amtliche Verwahrung geben (§ 2248 BGB). Sollte ein Erblasser sich auch dazu nicht entschließen können, so empfiehlt es sich, mehrere Originale des Privattestaments anzufertigen und diese entweder an verschiedenen Stellen zu verwahren oder sie denjenigen Personen auszuhändigen, die in diesem Testament begünstigt sind.

[2] Vgl. die Übersicht in BT-Drucks 17/2583, S. 15.

d) Die Eröffnung letztwilliger Verfügungen

 

Rz. 13

Dasjenige Amtsgericht, das eine letztwillige Verfügung verwahrt, ist auch für die Eröffnung zuständig, § 348 Abs. 1 FamFG. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2c RPflG.

e) Testamentsablieferungspflicht

 

Rz. 14

§ 2259 BGB ordnet an, dass Privatpersonen oder andere Behörden nach Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls in ihrem Besitz befindliche testamentarische Verfügungen an das Nachlassgericht abzuliefern haben. Die Pflicht zur Ablieferung besteht nicht nur gegenüber dem Nachlassgericht; vielmehr ...

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