Rz. 361

Zu Lebzeiten beider Ehegatten können auch wechselbezügliche Verfügungen von einem Ehegatten einseitig widerrufen werden, allerdings nur in der strengen Form des Rücktritts von einem Erbvertrag, §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB. Nach dem Tod eines Ehegatten und der damit eingetretenen Bindung für den Überlebenden gilt jedoch etwas anderes, § 2271 Abs. 2 BGB. Da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Anfechtung eines bindend gewordenen wechselbezüglichen Testaments fehlt, finden nach h.M.[370] die Vorschriften der §§ 2281 ff. BGB über die Anfechtung erbvertraglicher Anordnungen entsprechende Anwendung, die wiederum auf die §§ 2078 ff. BGB verweisen (§§ 2279 S. 1, 2078–2083, 2281–2285 BGB). Zweck der Anfechtung ist hier, dem Erblasser die Möglichkeit zu eröffnen, die eingetretene Bindung zu beseitigen und so seine Testierfreiheit wieder zu erlangen.[371] Da das Anfechtungsrecht ein Gestaltungsrecht ist, bleibt es der freien Willensentscheidung des Erblassers überlassen, ob er davon Gebrauch machen will – das Gesetz öffnet ihm das Tor dafür. Allerdings muss die Anfechtung innerhalb eines Jahres erfolgen, § 2283 BGB. Nach Ablauf dieser Frist ist das "Tor wieder zu". Eine Anfechtung durch Dritte ist hingegen wie beim Einzeltestament erst nach dem Erbfall möglich, sofern im Zeitpunkt des Erbfalls die Jahresfrist des § 2283 BGB noch nicht verstrichen war, § 2285 BGB.

[370] BGH FamRZ 1970, 79; BGHZ 37, 331.
[371] MüKo/Leipold, § 2078 Rn 8.

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