aa) Interessenwahrung für die unbekannten Erben

 

Rz. 88

Das Nachlassgericht hat über den Genehmigungsantrag nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dieses Ermessen ist allerdings insofern gebunden, als das Nachlassgericht in erster Linie auf die Interessen der unbekannten Erben als der durch das Genehmigungserfordernis geschützten Personen abstellen muss.[59]

[59] BGH FamRZ 1995, 151 = NJW-RR 1995, 168 = Rpfleger 1995, 156 = ZEV 1995, 151.

bb) Amtsermittlungspflicht

 

Rz. 89

Da es sich bei dem Genehmigungsverfahren um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 FamFG. Deshalb trifft das Nachlassgericht die Amtspflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt sorgfältig aufzuklären, um eine Gesamtwürdigung der Interessen der unbekannten Erben vornehmen zu können. Die Ermittlungen müssen sich auch auf die wirtschaftlichen Folgen des zu genehmigenden Rechtsgeschäfts und auf die den unbekannten Erben daraus etwa drohenden finanziellen Nachteile erstrecken.[60]

Die Sachverhaltsaufklärung ist der Ermessensentscheidung vorgelagert und dient als Grundlage für ein fehlerfreies Ermessen.

 

Rz. 90

Allerdings sind für die nachlassgerichtliche Genehmigung u.U. andere Erwägungen anzustellen als für die betreuungs- bzw. familiengerichtliche; denn die Nachlasspflegschaft ist nicht auf Dauer angelegt und soll dem/den Erben den Nachlass in möglichst unverändertem Zustand erhalten, zumindest soweit es dessen Werthaltigkeit angeht.

Die Nachlasspflegschaft dient der Sicherung des Nachlasses, auch unter Erbenhaftungsgesichtspunkten. Die Amtspflichten des Nachlassrichters bzw. Rechtspflegers werden auch nicht dadurch verringert, dass die Verfahrensbeteiligten auf eine alsbaldige Genehmigung drängen. Für den Nachlassrichter bzw. Rechtspfleger gilt ein objektivierter Sorgfaltsmaßstab.[61]

[60] BGH NJW 1986, 2829; FamRZ 1995, 151 = NJW-RR 1995, 168 = Rpfleger 1995, 156 = ZEV 1995, 151.
[61] Wie bei § 839 BGB: BGH NJW-RR 1992, 919; FamRZ 1995, 151 = NJW-RR 1995, 168 = Rpfleger 1995, 156 = ZEV 1995, 151.

cc) Amtshaftung – Beweislast des Geschädigten für Kausalität

 

Rz. 91

Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Erteilung – oder Versagung – der Genehmigung können zu Amtshaftungsansprüchen gem. Art. 34 GG, § 839 BGB führen. Wenn der Nachlassrichter bzw. Rechtspfleger pflichtwidrig eine nachlassgerichtliche Genehmigung erteilt, ohne vorher den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt zu haben, trifft den Geschädigten die Beweislast dafür, dass für einen ihm entstandenen Schaden die Amtspflichtverletzung ursächlich war.[62] Der Geschädigte hat also die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er bei amtspflichtgemäßem Verhalten des Nachlassrichters bzw. Rechtspflegers finanziell besser stehen würde und der Nachlassrichter bzw. Rechtspfleger die Genehmigung versagt hätte bzw. hätte versagen müssen.

Verzögerungen bei der Erteilung der Genehmigung können nur ausnahmsweise zu Amtshaftungsansprüchen führen.[63] Für eine etwaige Schadensersatzverpflichtung gilt der allgemeine Haftungsmaßstab für Vorsatz und Fahrlässigkeit.

[62] Zur (früheren) vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung: BGH NJW 1986, 2829; FamRZ 1995, 151 = NJW-RR 1995, 168 = Rpfleger 1995, 156 = ZEV 1995, 151.

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