Rz. 259

Der auf dem Gebiet des Erbrechts tätige Anwalt hat sich nach dem Erbfall häufig mit Fragen der Auslegung zweifelhafter letztwilliger Verfügungen von Todes wegen zu befassen. Da auslegungsbedürftige Verfügungen erhebliche Schwierigkeiten verursachen und von dem entsprechenden Ergebnis das weitere Vorgehen des Anwalts für den potenziellen Erben abhängt, ist insofern besondere Vorsicht geboten. Man sollte sich nicht zu schnell auf (Zwischen-)Ergebnisse festlegen.

 

Rz. 260

Nicht selten ist die entscheidende Frage zu beantworten, ob eine Erbeinsetzung oder nur eine vermächtnisweise Zuwendung seitens des Erblassers gewollt war. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.[238] Insoweit ist jeder Sachverhalt anders und sorgfältig in seiner Eigenheit zu überprüfen.

 

Rz. 261

Die Auslegung kann sich auch auf die Frage beziehen, ob überhaupt eine letztwillige Verfügung vorliegt und um welche Art von Verfügung es sich handelt.[239]

 

Rz. 262

Jede Auslegung setzt natürlich voraus, dass die letztwillige Verfügung überhaupt auslegungsbedürftig ist. Hiervon ist auszugehen, wenn am Inhalt der Verfügung nach ihrem Wortlaut oder auch gemessen an den Umständen, die außerhalb der konkreten Verfügung selbst liegen, Zweifel bestehen.[240]

 

Rz. 263

Weil Auslegung und Anfechtung nicht selten eng beieinander liegen, ist wegen der vollkommen unterschiedlichen Rechtsfolgen eine präzise Abgrenzung vorzunehmen. Die Rechtsprechung verknüpft beide Rechtsinstitute eng miteinander.[241]

[238] MüKo/Leipold, § 2084 Rn 1 ff.
[239] OLG Köln FamRZ 1995, 1301.
[240] BayObLG FamRZ 1991, 231.
[241] Vgl. BayObLG ZEV 1997, 339.

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