Rz. 171

Mit dem Zustellungsreformgesetz ist seit dem 1.7.2002 mit § 180 ZPO nun erstmals auch die Möglichkeit geschaffen worden, dass die Ersatzzustellung beim Nichtantreffen des Adressaten oder eines nach § 178 Abs. 1 ZPO möglichen Empfängers nicht mehr nur durch Niederlegung bei einer anderen Amtsstelle erfolgen kann, sondern auch durch das Einlegen des zuzustellenden Schriftstückes in den Briefkasten oder eine vergleichbare Vorrichtung des Adressaten oder des Empfängers.

 

Rz. 172

Diese Regelung soll die hohe Zahl der Niederlegungen in der Vergangenheit senken und damit ein höheres Maß an Kenntnisnahme von zuzustellenden Schriftstücken ermöglichen. Jeder Praktiker weiß, dass niedergelegte Schriftstücke häufig nicht abgeholt und damit auch nicht zur Kenntnis genommen wurden. Aber auch der willige Adressat, der nur zu den Zustellungszeiten nicht zu Hause ist, kann Nachteile durch eine verzögerte Kenntnisnahme des niedergelegten Schriftstückes erleiden.[131]

 

Rz. 173

Die Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten kommt allerdings nur in den Fällen des § 178 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO in Betracht, d.h. wenn die originäre Zustellung oder die Ersatzzustellung in der Wohnung oder den Geschäftsräumen fehlgeschlagen ist.[132]

 

Rz. 174

Hier liegen die meisten Praxisfälle, in denen in Zweifel gezogen wird, dass der Zusteller überhaupt versucht hat, den Adressaten anzutreffen und diesem persönlich zuzustellen. Wurde Entsprechendes in der Zustellungsurkunde vermerkt, muss der Zustellungsadressat nachweisen, dass dieser Versuch nicht unternommen wurde.

 

Rz. 175

Wird also in einer Gemeinschaftseinrichtung weder der Adressat noch der Leiter der Einrichtung oder ein von diesem ermächtigter Vertreter angetroffen, muss eine Niederlegung nach § 181 ZPO erfolgen.[133]

 

Rz. 176

 

Hinweis

Verweigert eine in § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO als Empfänger vorgesehene Person die Annahme des zuzustellenden Schriftstückes, bedarf es aufgrund der Annahmefiktion des § 179 ZPO keiner Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten mehr. Die Differenzierung macht sich allerdings in der Zustellungsurkunde bemerkbar, da in beiden Fällen das Schriftstück zwar in den Briefkasten einzuwerfen ist, allerdings in der Urkunde nach § 182 Nr. 5 ZPO die Annahmeverweigerung zu beurkunden ist.

 

Rz. 177

Diese Erweiterung der bisherigen Möglichkeiten bringt eine wesentliche Erleichterung für die Praxis mit sich. Voraussetzung für eine Zustellung durch Einlegung in den Briefkasten oder die entsprechende Vorrichtung ist dabei, dass

eine Zustellung an den eigentlichen Adressaten nicht möglich war,

eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 ZPO ebenfalls gescheitert ist, etwa weil niemand in der Wohnung angetroffen wurde oder das Geschäftslokal geschlossen war,

 

Hinweis

Der Gesetzgeber[134] wollte damit die Zustellung ausdrücklich davon lösen, dass während des normalen Postgangs das Geschäftslokal geschlossen war und nach dem bisherigen Recht es dann an der Möglichkeit einer Ersatzzustellung fehlte.

ein Briefkasten oder eine sonstige Vorrichtung vorhanden ist, die für den Postempfang eingerichtet ist,

 

Hinweis

Mit dem Begriff der sonstigen Vorrichtung wollte der Gesetzgeber eine Diskussion darüber vermeiden, was ein Briefkasten ist. Insoweit ist von der Regelung des § 180 ZPO auch ein Briefschlitz in der Haustür oder der Tür des Geschäftslokals erfasst.[135] Zu den sonstigen Vorrichtungen gehört aber auch etwa eine gemeinsame Poststelle mehrerer Unternehmen oder sonstiger Personen, da diese regelmäßig nicht mit Beschäftigten des Adressaten i.S.d. § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO besetzt ist. Letztlich wird auch ein Gemeinschafts- oder Sammelbriefkasten als sonstige Vorrichtung anzusehen sein, da der Adressat damit im Rechtsverkehr zu erkennen gibt, dass er insoweit von einer gesicherten Aufbewahrung ausgeht.[136] Bezieht ein Haftungsschuldner nach Haftentlassung eine Wohnung vorübergehend als Untermieter und wird der Briefkasten der Wohnung für den Postempfang entsprechend eingerichtet, erfordert die Wirksamkeit der Zustellung des im Wege der Ersatzzustellung gem. § 180 S. 2 ZPO in den Briefkasten eingelegten Schriftstückes nicht, dass der Haftungsschuldner tatsächlich auf den Briefkasten zugreifen konnte (hier: Entleerung durch die Hauptmieter). Für den Bekanntgabezeitpunkt kommt es auch nicht darauf an, wie im Falle von Mitbewohnern die Briefkastenleerung erfolgt und wann die Post an die Mitglieder der Wohnung verteilt wird.[137]

der Briefkasten oder die Vorrichtung in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.

 

Hinweis

Soweit bei der Ersatzzustellung eines Schriftstücks durch Niederlegung nach § 181 Abs. 1 S. 2 ZPO eine schriftliche Mitteilung darüber in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise abgegeben werden kann, ist die Ablage in einem offenen Zeitungsrohr bzw. einer Zeitungsrolle ausreichend, wenn es keinen Briefkasten gibt und Briefe stets in der Rolle abgelegt werden. Eine Befestigung der Mitteilung an der Haustür ist dann nicht erforderlich.[138]

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