Frank-Michael Goebel, Regine Förger
Rz. 280
Eine wesentliche Verfahrenserleichterung nach der einmal erfolgten Zustellung eines ein Verfahren einleitenden Schriftstückes bringt § 184 ZPO mit sich. Danach kann das Gericht in den Fällen der Zustellung nach § 183 Abs. 2–5 ZPO dem Adressaten aufgeben, einen Zustellungsbevollmächtigten mit Wohn- oder Geschäftssitz in der Bundesrepublik Deutschland zu bestellen, soweit nicht ohnehin ein Prozessbevollmächtigter bestellt wird. Dabei muss berücksichtigt werden, dass § 184 ZPO nur für Zustellungen im außereuropäischen Ausland gilt, wo regelmäßig mit ganz erheblichen Zustellungsverzögerungen zu rechnen ist.
Rz. 281
Wird auf eine entsprechende Anordnung des Gerichts kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, können weitere Zustellungen durch einfache Aufgabe des Schriftstückes zur Post unter der ausländischen Anschrift des Adressaten bewirkt werden. Die Zustellung gilt nach § 184 Abs. 2 S. 1 ZPO zwei Wochen nach der Aufgabe zur Post als erfolgt, wenn nicht das Gericht aufgrund der Umstände des Einzelfalles, insbesondere eines erkennbar längeren Postweges eine andere Frist bestimmt und das Gericht auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat.
Rz. 282
Hinweis
Die Aufgabe des Schriftstückes zur Post ist seitens des Prozessgerichts mit dem Zeitpunkt und der Anschrift des Adressaten in den Akten zu vermerken, was der Rechtsanwalt im Einzelfall, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung und mögliche Einwände des Gegners durch Akteneinsicht überprüfen sollte.
Rz. 283
Tipp
Auch wenn es sich bei § 184 ZPO um eine von Amts wegen nach freiem Ermessen des Gerichts zu treffende Entscheidung handelt, sollte diese vom Rechtsanwalt ausdrücklich angeregt werden, wenn anderenfalls aufgrund der erheblichen ausländischen Zustellungszeiten eine zumutbare und effektive Verfahrensabwicklung nicht gesichert erscheint. Allerdings muss der Bevollmächtigte dabei auch bedenken, dass dieses Verfahren hinderlich sein kann, wenn die gerichtliche Entscheidung auch im Ausland vollstreckt werden soll. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der mangelnde förmliche Zustellungsnachweis einer Zwangsvollstreckung im Ausland entgegensteht. Insoweit kann im Einzelfall auch der genau umgekehrte Weg sinnvoll sein, d.h. die förmliche Zustellung im Ausland anzuregen.
Rz. 284
Es darf auch nicht übersehen werden, dass der Bundesgerichtshof diese Regelung mit seiner Entscheidung vom 24.7.2000 zwar zunächst erheblich entwertet hat. Danach sei es mit dem im Rechtsstaatsgebot wurzelnden Grundsatz des fairen Verfahrens unvereinbar, einer im Ausland wohnenden Partei, die ein nach § 175 ZPO als zugestellt geltendes Versäumnisurteil wegen Verlustes der Sendung auf dem Postweg überhaupt nicht erhalten hat, die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Einspruchsfrist allein deshalb zu versagen, weil sie den Zustellungsbevollmächtigten nicht bestellt habe. Eine Beschleunigung kann daher in der Praxis tatsächlich nur dann erreicht werden, wenn der Adressat am weiteren Verfahren teilnimmt. Kommt es zu Entscheidungen aufgrund seiner Säumnis, kann die Partei nicht sicher sein, dass die Entscheidung auch Bestand hat, da die spätere Wiedereinsetzung immer droht. In einem Urteil des OLG Köln vom 22.9.2011 – I-18 U 144/10 –, zitiert nach juris, führt dieses jedoch aus, dass weder Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der hier maßgebende Bestimmung des § 184 ZPO bestünden, noch könne in der ausschließlich im Inland erfolgenden Zustellung durch Aufgabe zur Post eine Verletzung der nur für Auslandszustellungen geltenden Bestimmungen des Haager Übereinkommens liegen. Zwar ergebe sich das seitens der Beklagten darüber hinaus angeführte Gebot der prozessualen Waffengleichheit keineswegs nur aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, sondern ebenso aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Es sei aber nicht verletzt worden. Denn aufgrund der ihr gemeinsam mit der Klageschrift zugestellten Anordnung im Sinne des § 184 ZPO habe die Beklagte zu mit Zustellungen durch Aufgabe zur Post im weiteren Verfahren rechnen müssen. Sie hätte dementsprechend durchaus die Gelegenheit gehabt, eine rechtzeitige Kenntnis von beschwerenden Entscheidungen und Rechtsbehelfsmöglichkeiten sicherzustellen. Das Urteil wurde in der Revision bestätigt.
Rz. 285
Hinweis
Bezüglich besonderer Verfahren sind weitere Vorschriften zu beachten:
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Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen: Art. 13–15 EU-VTVO (Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen; |
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Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen: Art. 13 EU-BagatellVVO Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen. |