Rz. 248

Wegen der verstärkten Mobilität und der internationalen Integration nehmen Zustellungen im Ausland immer mehr zu.[196] Dies gilt für den gerichtlichen Geschäftsverkehr ebenso wie für Zustellungen im Parteibetrieb. Dabei hat sich in der Vergangenheit vor allem die Dauer von Zustellungen im Ausland nachteilig ausgewirkt. Hinzu kam und kommt für den Rechtsanwalt die Problematik, dass die Rechtsgrundlagen und Verfahren der Auslandszustellung unsystematisch und schwer zu erschließen sind und letztlich mit den Instrumenten völkerrechtlicher Verträge, des Europarechtes und des jeweiligen nationalen Prozessrechtes nicht hinreichend aufeinander abgestimmt sind.[197]

 

Rz. 249

Das Zustellungsreformgesetz und die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten,[198] die die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen,[199] abgelöst hat (EU-Zustellungsverordnung) sowie das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts v 11.6.2017 (BGBl I, S. 1607) m.W.v. 17.6.2017 bringen hier jedoch Erleichterungen. Die nachfolgenden Darlegungen beschränken sich auf die Zustellung eines Schriftstückes im Ausland. Soweit ein ausländisches Gericht oder eine ausländische Partei nach der EU-Zustellungsverordnung ein Schriftstück in Deutschland zustellen will, sind für die Prüfung der Wirksamkeit die §§ 10671071 ZPO zu beachten.

 

Rz. 250

Die bisherigen Vorschriften über die Zustellung an Personen im Ausland in §§ 199–202 ZPO a.F. wurden zum 1.7.2002 mit § 183 ZPO, der seinerseits durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts v 11.6.2017 (BGBl I, S. 1607) m.W.v. 17.6.2017 neu gefasst wurde, in einer Vorschrift zusammengefasst. Dabei regelt § 183 Abs. 1 Nr. 1–3 ZPO die Zustellungsmöglichkeiten in Ländern außerhalb der europäischen Union und in Dänemark.

 

Rz. 251

Demgegenüber regelt die EU-Zustellverordnung als unmittelbar geltendes nationales Recht – dies wird über § 183 Abs. 1 ZPO deklaratorisch herausgestellt – die Zustellung in Ländern der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks. In Deutschland ist die Verordnung durch das Zustellungsdurchführungsgesetz konkretisiert worden.[200]

 

Rz. 252

Während die Zustellungen innerhalb der Europäischen Union gem. § 183 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, 5 S. 1 ZPO nach den Vorschriften der §§ 1067 Abs. 1 ZPO (Zustellung durch diplomatische und konsularische Vertretungen), 1068 Abs. 1 ZPO (Nachweis der Zustellung durch Rückschein) und 1069 Abs. 1 ZPO (Zuständigkeiten) durchgeführt werden, erfolgt die Zustellung in das übrige Ausland gem. § 183 Abs. 24, 5 S. 2 ZPO.

 

Rz. 253

 

Hinweis

Rechtsanwälte sind nach deutschem Recht kein Zustellungsorgan für eine Auslandzustellung, d.h. sie dürfen nicht unmittelbar Zustellungen in das nicht europäische Ausland bewirken,[201] innerhalb der EU besteht jedoch eine unmittelbare Zustellmöglichkeit im Rahmen des Art. 15 EuZustVO.

 

Rz. 254

Beachtet werden muss, dass es keiner Zustellung im Ausland bedarf,[202] wenn:

lediglich die Streitverkündungsschrift nach § 841 ZPO im Einziehungsprozess des Gläubigers gegen den Drittschuldner zugestellt werden soll,
der Schuldner nach § 844 ZPO zu einer anderen Art der Verwertung angehört werden soll,
der Schuldner nach § 875 Abs. 2 ZPO zum Verteilungstermin im Verteilungsverfahren nach §§ 872 ff. ZPO geladen werden soll,
der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nach §§ 829 Abs. 2, 835 Abs. 3 ZPO dem Schuldner zugestellt werden soll; in diesem Fall genügt eine Aufgabe zur Post als Zustellungsfiktion,
der Adressat trotz Aufforderung, Fristsetzung und Belehrung nach einer ersten förmlichen Zustellung im Ausland keinen Zustellungsbevollmächtigten nach § 184 ZPO[203] bestellt hat; auch in diesem Fall genügt dann eine Aufgabe zur Post, um die Zustellung zu fingieren.
 

Rz. 255

 

Hinweis

Soweit das Gesetz einen Verzicht auf die Zustellung vorsieht, ist dies nur eine Entlastungsmöglichkeit. Die förmliche Zustellung im Ausland bleibt also weiter möglich. Insoweit besteht für das Gericht bei der Zustellung von Amts wegen und im Übrigen für die Partei ein Wahlrecht.[204] Werden beide Zustellungsvarianten parallel durchgeführt und führen beide zu einer wirksamen Zustellung, so kommt es für die Fristwahrung auf die frühere an.[205]

 

Rz. 256

Besonderheiten sind bei der Zustellung von Schriftstücken an Personen zu beachten, die nach dem NATO-Truppenstatut in Deutschland stationiert sind. Für sie gelten die Art. 32–37 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut vom 3.8.1959 in der zuletzt durch das Zustellungsreformgesetz geänderten Fassung.[206]

Verstöße hiergegen begründen einen Amtshaftungsanspruch.[207]

[196] Vgl. zu Einzelheiten zu den einzelnen Ländern: http://ec.europa.eu/j...

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