Rz. 108
Auch die Titulierung der Zuwendung als "Anstandsschenkung" bringt in der Sache nicht weiter. Ob eine solche vorliegt, beurteilt sich immer nach materiellem Recht. Nur dann ist auch ein Widerruf der Schenkung bei Verarmung des Schenkers gem. § 528 BGB ausgeschlossen, somit auch eine Überleitung von Rückforderungsansprüchen. Anstandsschenkungen sind kleinere Zuwendungen wie übliche Gelegenheitsgaben zu bestimmten Anlässen, wobei die örtliche und gesellschaftliche Verkehrssitte eine Rolle spielt.[272] Umfasst sind hiervon Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke, Geschenke zur Kommunion/Konfirmation, Hochzeit, zum Jubiläum, Geschenke anlässlich einer Einladung[273] in angemessenem Rahmen, wobei Letzterer durch eine normative Einzelfallbetrachtung zu bestimmen ist.[274]
Zahlt die Großmutter monatlich über Jahre zugunsten ihres Enkels auf ein Sparkonto ein, spricht dies hingegen nach der Rechtsprechung gegen eine Anstandsschenkung.[275]
Rz. 109
Als Anstandsschenkungen gelten auch solche Schenkungen, die einer sittlichen Pflicht entsprechen. Diese sind mit der Folge, dass sie nicht zurückgefordert werden können, dann geboten, wenn ihr Unterlassen dem Schenkenden als Verletzung der für ihn bestehenden sittlichen Pflicht zur Last zu legen wäre;[276] gerade in diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass wiederum auch eine sittliche Pflicht dagegen stehen kann, wie z.B. diejenige, den Pflichtteil eines Abkömmlings nicht durch rechtlich noch zulässige Maßnahmen auszuhöhlen, mit der Folge, dass die Zuwendung nicht als sittlich geboten anzusehen ist. Es ist also eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen.[277] Grundsätzlich ist festzuhalten, dass sich der BGH bei der Annahme von Anstandsschenkungen sehr bedeckt hält,[278] so dass generell zur Vorsicht zu raten ist.
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