Rz. 100

Vertragliche Regelungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge haben häufig Schenkungscharakter. Je nach Art und Umfang der vom Übernehmer geschuldeten Gegenleistungen überwiegt der unentgeltliche oder der entgeltliche Teil des Geschäfts. Liegt demgemäß eine Schenkung, gemischte Schenkung oder Schenkung unter einer Auflage vor, so haften dem Erwerb des Übernehmers die typischen Schwächen der Unentgeltlichkeit an.

Bei Verarmung des Schenkers ist er dem Schenkungswiderruf ausgesetzt, § 528 BGB. Weiterhin haftet er beim Tode des Übergebers u.U. auf Pflichtteilsergänzung (§§ 2325, 2329 BGB). Pflichtteilsergänzungsansprüche spielen bei der Gestaltung von Übergabeverträgen immer noch eine wichtige Rolle. Die §§ 2325 ff. BGB korrigieren nach dem Tod des Übergebers zugunsten der übergangenen Pflichtteilsberechtigten Vermögensverschiebungen, indem sie über die Bildung eines sogenannten fiktiven Nachlasses die verschenkten Vermögenswerte als nach wie vor zum Nachlass zugehörig betrachten, soweit die Schenkung innerhalb der regelmäßig (nicht bei Ehegatten; § 2325 Abs. 3 BGB) zu beachtenden Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB getätigt wurde.[261] Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Schenkung lediglich dann, wenn sie innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall erfolgt ist, in vollem Umfang zu berücksichtigen ist und innerhalb jedes weiteren Jahres um jeweils ein Zehntel weniger Berücksichtigung findet. Auch gemischte Schenkungen und Schenkungen unter Auflage sind dem fiktiven Nachlass hinzuzurechnen, wobei Gegenleistungen wertmäßig regelmäßig entgegengesetzt werden können. Auch die sogenannten ehebedingten Zuwendungen sind erbrechtlich (im Gegensatz zum Familienrecht) grundsätzlich als Schenkungen zu betrachten, so dass auch sie Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen können.[262] Will der Übergeber sichergehen, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht eingefordert werden können, bleibt ihm nur die Abforderung eines Pflichtteilsverzichts von den übrigen Pflichtteilsberechtigten (vgl. zum Pflichtteilsrecht § 17).

 

Rz. 101

Schließlich sind hier auch die Vorschriften der §§ 2287, 2288 BGB zu nennen, die bei beeinträchtigenden Schenkungen dem Vertragserben oder dem Vermächtnisnehmer (analoge Anwendung beim gemeinschaftlichen Testament)[263] einen Herausgabe-, Verschaffungs- und Wertersatzanspruch hinsichtlich des unentgeltlich Zugewandten gewähren.

[261] Für den Fristbeginn sind im Übrigen die Entscheidungen des BGH in BGHZ 102, 289 und BGH NJW 1994, 1791 relevant.
[262] BGHZ 116, 167; Darstellung der Ausnahmen bei Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 58 ff.
[263] BGHZ 280, 274; BeckOK/Litzenburger, § 2287 Rn 1; MüKo/Musielak, § 2271 Rn 47 m.w.N.

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