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Was also lag näher, als im Rahmen einer Neuordnung des Datenschutzrechts auf eine andere, weitreichendere Form der im AEUV vorgesehenen Rechtsakte des Unionsrechts, nämlich die Verordnung gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV, zurückzugreifen. Verordnungen im vorgenannten Sinne kommt allgemeine Geltung zu; sie sind in allen ihren Teilen der EU verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Anders als die Richtlinie, setzt die Verordnung damit unmittelbar geltendes Recht, das ohne mitgliedstaatliche Umsetzungsakte Rechte und Pflichten für einen bestimmten Personenkreis begründet.[119] Mit Inkrafttreten der neuen Datenschutzgrundverordnung wird damit – jedenfalls auf den ersten Blick – tatsächlich ein großer Schritt hin zu einem einheitlichen und kohärentem Datenschutz(rechts)niveau in der EU getan. Leider, dies wird im weiteren noch darzustellen sein, liegen trotz dem Durchbruch in Sachen "unmittelbarer" Rechtsdurchsetzung faktisch aber noch viele weitere Schritte auf dem Weg zur Vollharmonisierung des Datenschutzrechts vor uns. Denn, auch die DSGVO erweist sich bei näherem Hinsehen als "großer Kompromiss" mit vielen – dem Regelungsgedanken des Art. 288 Abs. 2 AEUV eigentlich zuwiderlaufenden – "Öffnungsklauseln" zugunsten nationalstaatlicher Alleingänge und Bereichsausnahmen. Einige davon mögen sinnvoll erscheinen, andere hingegen belegen, dass die nach außen gefeierte Einigkeit der an den Trilog-Verhandlungen beteiligten Parteien wohl mehr Schein als Sein gewesen ist. So können beispielsweise die in Art. 12 bis 22 DSGVO normierten Informationspflichten der verantwortlichen Stelle und damit korrespondierende Betroffenenrechte durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten "im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden" (Art. 23 Abs. 1 DSGVO). Gleiches gilt für die in Art. 5 DSGVO normierten und über die bisherigen Anforderungen in der Datenschutzrichtlinie hinausgehenden "Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten" und die in Art. 6 Abs. 1 DSGVO normierten Anforderungen an die Datenverarbeitung mit und ohne Einwilligung des Betroffenen.[120] Hier und in zahlreichen anderen – zentralen – Regelungsbereichen belässt die Verordnung den Mitgliedstaaten z.T. weitreichende Handlungsspielräume, die in manchen Konstellationen gar über diejenigen der Datenschutzrichtlinie hinausgehen.[121]

[119] Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2016, Art. 288 Rn 20.
[120] Änderungsbefugnisse in Art. 6 Abs. 2 bis 4 DSGVO.
[121] Zum Deutschen Recht speziell die umfangreichen und lesenswerten Ausführungen von Kühling/Martini et. al, Datenschutz-Grundverordnung und das nationale Recht“, S. 4 ff., die unter http://www.foev-speyer.de/files/de/downloads/Kuehling_Martini_et_al_Die_DSGVO_und_das_nationale_Recht_2016.pdf heruntergeladen und eingesehen werden können.

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