Rz. 80

Da das BGB in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung dem Auftraggeber kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gibt, hatte der Auftraggeber grundsätzlich keine Möglichkeit, Leistungsänderungen oder zusätzliche Leistungen anzuordnen. Vielmehr konnten Änderungen des Leistungsinhaltes nach Vertragsschluss außerhalb der VOB/B nur durch entsprechende Vereinbarung erreicht werden.

 

Rz. 81

Daher gab es im Übrigen diesbezüglich auch keinen Unterschied zwischen dem Einheitspreis- und dem Pauschalvertrag. Bei beiden Vertragsarten war eine Abänderung des Leistungsinhalts nur möglich, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung treffen.

 

Rz. 82

Dabei war der Auftragnehmer allerdings nicht völlig frei in seiner Entscheidung, einer Änderung zuzustimmen oder nicht. Sofern die geänderte oder zusätzliche Leistung zur ordnungsgemäßen Herstellung der vertraglichen Leistung notwendig ist, gebietet die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben entwickelte Kooperationsverpflichtung dem Auftragnehmer, dass er sich bereit erklärt, die geänderte oder zusätzliche Leistung auszuführen, sofern keine gewichtigen Gründe entgegenstehen.[92]

 

Rz. 83

Ein Grund, der einer Vereinbarung vernünftigerweise entgegenstehen könnte, ist die fehlende Einigung über die Vergütung für die neue Leistung. Allerdings gilt auch hier der Grundsatz von Treu und Glauben, sodass der Auftragnehmer nicht jede Preisvorstellung durchsetzen kann. Obwohl – sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben – im (auch im "alten") BGB-Vertrag keine Bindung an die Urkalkulation besteht, wurde angenommen, der Auftraggeber dürfe nach Treu und Glauben erwarten, dass auch die geänderten/zusätzlichen Leistungen entsprechend dem Preisniveau des bereits geschlossenen Vertrags vergütet werden. Mittlerweile wird man auf Grundlage der Entscheidung des BGH zu § 2 Abs. 3 VOB/B[93] jedoch auch für die "Altverträge" am ehesten die tatsächlich erforderlichen Kosten zzgl. angemessener Zuschläge heranziehen.[94]

 

Rz. 84

Auch hier sind natürlich konkludente Vereinbarungen möglich oder Vereinbarungen, bei welchen hinsichtlich der Vergütung keine Einigung getroffen wird (mit der Folge, dass die übliche Vergütung geschuldet ist). Es ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.

 

Rz. 85

Das zum 1.1.2018 eingeführte gesetzliche Bauvertragsrecht hingegen enthält Regelungen zu Anordnungen und Vergütungsanpassungen.

 

Rz. 86

Nach § 650b Abs. 1 BGB kann der Auftraggeber grundsätzlich

Änderungen des vereinbarten Werkerfolgs (Nr. 1) oder
Änderungen, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig sind (Nr. 2),

durchsetzen. Es fällt also zunächst auf, dass sich die Typen der Änderungsanordnung gegenüber den Regelungen in § 1 Abs. 3, 4 VOB/B geändert haben. Während die VOB/B zwischen geänderten und zusätzlichen Leistungen unterscheidet, differenziert das gesetzliche Bauvertragsrecht zwischen:

"freiwilligen" Änderungen des Werkerfolgs (z.B. einer Spiegelung des Grundrisses, eines zusätzlichen Staffelgeschosses etc.) und
geänderten (oder auch zusätzlichen) Leistungen, die notwendig sind, um den unveränderten Werkerfolg zu erreichen (Bsp.: Bei der Erstellung einer Schlitzwand wird ein Findling angetroffen, für dessen Durchörterung im LV keine Leistungen vorgesehen sind).

Die "freiwilligen" Änderungen muss der Unternehmer nur dann ausführen, wenn ihm dies zumutbar ist.

 

Rz. 87

Ein weiterer, erheblicher Unterschied zur VOB/B ist, dass dem Auftraggeber die entsprechenden Anordnungsrechte nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Vielmehr muss er zunächst das ist § 650b Abs. 1, 2 BGB vorgeschriebene Einigungsmodell durchlaufen. Kurz gefasst, sieht dieses so aus:

Der Auftraggeber wendet sich mit einem Änderungswunsch ("Änderungsbegehren", siehe § 650b Abs. 2 S. 1 BGB) an den Auftragnehmer.
Sofern der Auftraggeber die Planung schuldet, muss er diese auch für die gewünschte Änderung vorlegen.
Der Auftragnehmer erstellt ein Angebot, wobei er in dessen Berechnungsmethode frei ist.
Die Parteien verhandeln hierüber.
Erst, wenn 30 Tage nach Zugang des Änderungsbegehrens beim Auftragnehmer keine Einigung erzielt werden konnte, darf der Auftraggeber die Leistungsänderung einseitig anordnen.
 

Rz. 88

§ 650c Abs. 1 BGB enthält dann die grundsätzlichen Regelungen für die Anpassung der Vergütung. Demnach ist die Vergütung für den vermehrten oder verminderten Aufwand zu berechnen nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn. Im Grunde ist diese also eine Cost+Fee-Berechnung. Hier nimmt der Gesetzgeber demnach eindeutig Abstand vom Grundsatz der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung.

 

Rz. 89

§ 650c Abs. 2 BGB gibt dem Auftragnehmer eine alternative Möglichkeit der Berechnung der (geänderten) Vergütung, nämlich unter Rückgriff auf die Ansätze in seiner Urkalkulation. Diese Möglichkeit gibt es aber nur dann, wenn die Urkalkulation vereinbarungsgemäß hinterlegt wurde. Wie § 650c Abs. 2 S. 2 BGB zeigt, handelt es sich hier keineswe...

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