Rz. 5

Anlässe für Streit gibt es in Unternehmerfamilien oder Familien mit komplexen Vermögen einige. Der Erbfall – oder allgemeiner gesprochen der Generationswechsel – ist gerade für sie ein besonders kritisches Ereignis. Aber auch der Alltag birgt mannigfache Gelegenheiten. Wer darf was? Wer bekommt was? sind vermutlich die markantesten Fragen. Dabei findet diese Auseinandersetzung nicht nur innerhalb einer Generation, z.B. zwischen Geschwistern oder Vettern und Cousinen statt, sondern auch generationsübergreifend zwischen Vater und Sohn, Onkel und Neffe etc. und auch über die engsten familiären Grenzen, die Blutsbande, hinweg: was dürfen oder bekommen Schwiegerkinder, Geschiedene?

 

Rz. 6

Je intensiver eine Familie zusammenarbeitet, desto stärker wirken sich Streitpunkte aus: Geschwister, die operativ in der Geschäftsführung oder auf unterschiedlichen Hierarchiestufen zusammenarbeiten, haben sowohl mehr Konfliktpotential als auch mehr Kooperationsbedarf.

 

Rz. 7

Während offene Anfeindungen vermutlich seltener sind, als es uns die Medien glauben machen wollen, sind die stillen Symptome von Streit häufig und mitunter ebenso folgenschwer. Familie und Unternehmen verlieren, wenn z.B. die Durchsetzung individueller Interessen Entscheidungen dominieren oder wenn Sprachlosigkeit die Verständigung über Ziele, den richtigen Weg oder den Ausgleich von Interessen verhindert. Sie verlieren nicht nur, weil im Einzelfall ungünstige Entscheidungen getroffen werden. Ebenso gewichtig ist der schleichende Verlust von Vertrauen und Handlungsfähigkeit. Mangelnde Kommunikation, Misstrauen, Patt oder Blockaden bedeuten Stillstand.

Eine besondere Gefahr für das Unternehmen besteht im Aufschieben strategischer Entscheidungen. Während Routinen operative Entscheidungen noch eine Zeitlang ermöglichen, fehlt ein solcher Entlastungsmechanismus für komplexe, insbesondere strategische Fragen. Schleichend wird die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens unterhöhlt. Und in kleinen und mittleren, oft aber auch in größeren Familienunternehmen gibt es keine unabhängige Instanz, die einen strategischen Diskurs und strategische Entscheidungen einfordern könnte.

Auf der strategischen Ebene zeigt sich die Abhängigkeit des Unternehmens von der Kooperationsfähigkeit der Unternehmerfamilie in besonderer Weise. Das gilt speziell für familiengeführte Unternehmen, aber auch für solche mit Fremdmanagement. Tückisch ist es, wenn mangelnde oder mangelhafte strategische Entscheidungen zunächst keine spürbaren Folgen haben: Der Aufschub von Investitionen etwa führt mitunter kurzfristig zu verbesserten Ergebnissen, wenn bei zunächst gleichem Umsatz weniger Abschreibungen das Ergebnis belasten. Gleiches gilt für reduzierte Entwicklungskosten etc. Das sind günstige Voraussetzungen, Konflikte weiter zu verschleppen.

 

Rz. 8

Aber nicht nur offener Streit oder Stillstand gefährden das Familienvermögen. Ein weiterer Faktor ist mangelndes Interesse von Familienmitgliedern an ihrem Unternehmen oder sonstigen Vermögenswerten, oft einhergehend mit unzureichenden Kenntnissen.

Mancher geschäftsführender Gesellschafter würde hier widersprechen: Uninteressierte Minderheitsgesellschafter können aus Sicht eines Mehrheitsgesellschafters von Vorteil sein. In normalen Zeiten, in denen sie vertrauensvoll seinen Empfehlungen folgen, ist das nachvollziehbar. Die Erfahrung zeigt aber zweierlei Risiken. Zum einen kommt es auf konstruktives Verhalten bzw. ein gewisses Verständnis der Unternehmens- oder Vermögenssituation an, wenn bestimmte außerordentliche Entscheidungen zu treffen sind (häufiger sind Änderungen des Gesellschaftsvertrages, seltener – aber keine Seltenheit – Kapitalerhöhungen oder der Verkauf, üblicherweise wird auch der Generationswechsel gerne einvernehmlich organisiert). Zum anderen haben auch entfremdete Gesellschafter Erwartungen, z.B. an Ausschüttungen oder faire Behandlung. Während sie einen gewissen Verzicht klaglos hinnehmen, kann aus massiv enttäuschten Erwartungen der Verlust von Vertrauen und Opposition erwachsen. Und schließlich wirkt sich ihre Haltung auf die nächste Generation aus. Mit einem neuen Rollenverständnis stellt die nächste Generation die alten Spielregeln infrage und wird – womöglich zur Unzeit – zu einem schwer kalkulierbaren Faktor für das Unternehmen.[1]

Wie so oft gilt: Nicht die guten Zeiten, sondern die schwierigen stellen eine Gemeinschaft auf die Probe. Und hier wirkt umgekehrt, worauf eingangs hingewiesen wurde: Enttäuschung auf Unternehmensebene gefährdet zugleich den Familienfrieden, wenn dessen Fundament nicht gefestigt ist.

 

Rz. 9

In stark zersplittertem Gesellschafterkreis ist Desinteresse eine besondere Herausforderung. Hier ist auch für Entscheidungen mit einfacher Mehrheit eine Vielzahl an Gesellschaftern zu interessieren. Üblicherweise werden daher strategische Entscheidungen auf (zum Teil) familienfremd besetzte Gremien übertragen, aber bspw. die Personalentscheidungen für die Gremienbesetzung bedürfen weiterhin kooperationsfähiger und -wil...

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