Rz. 381

Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht in folgenden Fällen:

gewöhnlicher Aufenthalt des Minderjährigen im Inland (Art. 1 MSA);
der Minderjährige hat die deutsche Staatsangehörigkeit (konkurrierende Zuständigkeit zu Art. 1 MSA): Nach der Ausnahmeregelung des Art. 4 MSA (Eingreifen der Heimatbehörden) können die Behörden des Staates, dem der Minderjährige angehört, wenn sie der Auffassung sind, dass das Wohl des Minderjährigen es erfordert, die nach ihrem innerstaatlichen Recht zum Schutz der Person oder des Vermögens des Minderjährigen notwendigen Maßnahmen treffen, nachdem sie die Behörden des Staates verständigt haben, in dem der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
Gefährdungszuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 MSA (ernstliche Gefährdung der Person oder des Vermögens des Minderjährigen);
Eilzuständigkeit nach Art. 9 MSA in dringenden Fällen, sofern der Minderjährige seinen schlichten Aufenthalt im Inland hat oder sich hier Vermögen befindet.
 

Rz. 382

Hinweis: Das MSA geht der internationalen Verbundzuständigkeit für die Sorgerechtsentscheidung im Scheidungsverfahren (§ 98 Abs. 2 FamFG) vor (da die Bundesrepublik Deutschland von der Möglichkeit eines Vorbehalts in Eheverfahren nach Art. 15 Abs. 1 EGBGB keinen Gebrauch gemacht hat).

 

Rz. 383

Besteht dergestalt eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, sind die Entscheidungen nach deutschem Sachrecht zu treffen (sog. Gleichlaufprinzip). Die danach zuständigen Behörden haben gem. Art. 2 MSA die nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen zu ergreifen. Dieses Recht bestimmt die Voraussetzungen für die Anordnung, die Änderung und die Beendigung dieser Maßnahmen. Zudem regelt es auch deren Wirkungen sowohl im Verhältnis zwischen dem Minderjährigen und den Personen oder den Einrichtungen, denen er anvertraut ist, als auch im Verhältnis zu Dritten.

 

Rz. 384

Hinweis: Der Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte und Anwendbarkeit deutschen Sachrechts gilt auch für die Fälle der Gefährdungszuständigkeit nach Art. 8 Abs. 1 MSA sowie der Eilzuständigkeit gem. Art. 9 MSA.

 

Rz. 385

Die internationale Zuständigkeit (des Heimatstaates des Minderjährigen und des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts) und die Anwendung von Heimat- und Aufenthaltsrecht werden verbunden unter Einräumung eines Vorrangs zugunsten des Aufenthaltsstaates und des Aufenthaltsrechts. Zu Art. 4 MSA bestimmt Art. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 30.4.1971,[516] dass für die in Art. 4 Abs. 1 (sowie Art. 5 Abs. 2, Art. 10 und Art. 11 Abs. 1) des Übereinkommens vorgesehenen Mitteilungen die deutschen Gerichte und Behörden zuständig sind, bei denen ein Verfahren nach dem Übereinkommen anhängig ist oder in den Fällen des Art. 5 Abs. 2 zur Zeit des Aufenthaltswechsels des Minderjährigen anhängig war. Ist ein Verfahren im Geltungsbereich des deutschen Ausführungsgesetzes nicht anhängig, so ist für den Empfang der Mitteilungen nach Art. 4 Abs. 1 (und Art. 11 Abs. 1) MSA das Jugendamt zuständig, in dessen Bezirk der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für den Empfang der Mitteilungen, die nach Art. 11 Abs. 1 MSA an die Behörden des Staates zu richten sind, dem der Minderjährige angehört, wenn im Geltungsbereich des Ausführungsgesetzes weder ein Verfahren anhängig ist noch der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Landesjugendamt Berlin zuständig. Die Mitteilungen können unmittelbar gegeben und empfangen werden. Die in den anderen Vertragsstaaten für die Mitteilungen nach dem Übereinkommen zuständigen Behörden sind im Bundesanzeiger bekannt zu geben.

[516] BGBl II, 217.

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