Rz. 215

Zuständig für Entscheidungen in Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten ist nach Art. 3 EU-UnterhaltsVO grundsätzlich

das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. a – Beklagtengerichtsstand), oder
das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit. b – Klägergerichtsstand), oder
das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit begründet sich einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien (lit. c – Annexgerichtsstand für personenstandsrechtliche Verfahren), oder
das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien (lit. d – Annexgerichtsstand für sorgerechtliche Verfahren).
 

Rz. 216

(Art. 8 Brüssel IIa-VO und) Art. 3 EU-UnterhaltsVO (sind) ist dahin auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaates, die eine rechtskräftige Entscheidung betreffend (die elterliche Verantwortung und) die Unterhaltspflichten für ein minderjähriges Kind erlassen haben, nicht mehr dafür zuständig sind, über einen Antrag auf Änderung der in dieser Entscheidung getroffenen Verfügungen zu entscheiden, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates hat: Für die Entscheidung über den Antrag sind dann die Gerichte dieses anderen Mitgliedstaates zuständig.[295]

Art. 3 lit. a und d sowie Art. 5 EU-UnterhaltsVO sind dahin auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Gericht eines Mitgliedstaates mit einer Klage befasst wird, mit der drei zusammenhängende, die Ehescheidung der Eltern eines minderjährigen Kindes, die elterliche Verantwortung für dieses Kind und die Unterhaltspflicht für das Kind betreffende Anträge gestellt werden, das über die Scheidung befindende Gericht, das seine Zuständigkeit für die Entscheidung über den die elterliche Verantwortung betreffenden Antrag verneint hat, gleichwohl für die Entscheidung in der Unterhaltssache zuständig ist, wenn es zugleich das Gericht des Ortes ist, an dem der Beklagte sich auf das Verfahren eingelassen hat, ohne den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen.[296]

Art. 3 lit. b EU-UnterhaltsVO ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung (wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen) entgegensteht, die eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration für grenzüberschreitende Unterhaltssachen bei dem für den Sitz des Rechtsmittelgerichts zuständigen erstinstanzlichen Gericht begründet, es sei denn, diese Regelung trägt zur Verwirklichung des Ziels einer ordnungsgemäßen Rechtspflege bei und schützt die Interessen der Unterhaltsberechtigten, indem sie zugleich eine effektive Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen begünstigt, was zu prüfen jedoch Sache der vorlegenden (nationalen) Gerichte ist.[297]

Art. 3 lit. c und d EU-UnterhaltsVO ist dahin auszulegen, dass dann, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaates mit einem Verfahren betreffend die Trennung oder die Beendigung der ehelichen Verbindung der Eltern eines minderjährigen Kindes befasst wird und ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates mit einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung für dieses Kind befasst wird, ein Antrag in Bezug auf eine Unterhaltspflicht für dieses Kind nur zum Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung i.S.v. Art. 3 lit. d EU-UnterhaltsVO akzessorisch ist.[298]

 

Rz. 217

Notwendig ist ein "qualifizierter Bezug" mit der Folge, dass es auf den gewöhnlichen Aufenthalt eines Betroffenen im Ausland ankommt.[299]

[295] EuGH NJW 2017, 2013 = FamRZ 2017, 734 – Ls.
[296] EuGH FamRZ 2019, 2001. Dazu auch die Anm. von Dimmler, FamRB 2019, 468.
[297] EuGH NJW 2015, 683 = FamRZ 2015, 639. Dazu auch die Anm. von Dimmler, FamRB 2015, 48; Rellermeyer, Rpfleger 2015, 288.
[298] EuGH NJW 2015, 3021 = FamRZ 2015, 1582. Dazu auch die Anm. von Grohmann, FuR 2015, 674; Mankowski, FamRZ 2015, 1785. Vgl. zudem Rauscher, IPRax 2016, 215.
[299] Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 3 UnterhaltsVO Rn 41 f.

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