Rz. 137

Das Kapitel IV (Art. 36 bis 57) der VOen regelt nach dem Grundmodell der Brüssel Ia-VO die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen güterrechtlichen Entscheidungen.

a) Anerkennung

 

Rz. 138

Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen im Güterrecht werden nach Art. 36 Abs. 1 der VOen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Eine Entscheidung wird nach Art. 37 der VOen nur dann nicht anerkannt (Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung), wenn einer der folgenden (abschließend normierten) Gründe vorliegt:

Die Anerkennung würde der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaates, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widersprechen (lit. a).[220]
Dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat die Entscheidung nicht angefochten, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte (lit. b – Verletzung des rechtlichen Gehörs).[221]
Die Entscheidung ist mit einer Entscheidung unvereinbar, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist (lit. c – Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung aus dem Anerkennungsstaat).[222]
Die Entscheidung ist mit einer früheren Entscheidung unvereinbar, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat in einem Verfahren zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, erfüllt (lit. d – Unvereinbarkeit mit einer früheren ausländischen Entscheidung).[223]
 

Rz. 139

Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaates darf nach Art. 39 Abs. 1 der VOen nicht überprüft werden (Ausschluss der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaates).

 

Rz. 140

Beachte: Die in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung darf nach Art. 40 der VOen keineswegs in der Sache selbst nachgeprüft werden (Ausschluss einer Nachprüfung der Entscheidung in der Sache): Verbot einer révision au fond“.[224] Daher darf keine Überprüfung stattfinden, ob dem Erlassgericht Verfahrensfehler unterlaufen sind, ob die Tatsachenfeststellung bzw. -würdigung zutreffend war oder eine richtige Anwendung des Sach- bzw. Kollisionsrechts erfolgt ist.[225]

 

Rz. 141

Das Gericht eines Mitgliedstaates, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung geltend gemacht wird, kann gem. Art. 41 der VOen das Verfahren aussetzen (Aussetzung des Anerkennungsverfahrens), wenn im Ursprungsmitgliedstaat gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist.

[220] NK-BGB/Makowsky, Art. 37 EuGüVO/EuPartVO Rn 4 ff.
[221] NK-BGB/Makowsky, Art. 37 EuGüVO/EuPartVO Rn 7 f.
[222] NK-BGB/Makowsky, Art. 37 EuGüVO/EuPartVO Rn 9 f.
[223] NK-BGB/Makowsky, Art. 37 EuGüVO/EuPartVO Rn 11 ff.
[224] MüKo-BGB/Looschelders, Art. 40 EuGVÜ Rn 122.
[225] NK-BGB/Makowsky, Art. 40 EuGüVO/EuPartVO Rn 2.

b) Vollstreckbarkeit

 

Rz. 142

Ein in einem Mitgliedstaat erstrittener Titel kann in einem anderen Mitgliedstaat nur nach Maßgabe der Art. 43 ff. der VOen vollstreckt werden (Ausschließlichkeit des Verfahrens, was zu einer Verdrängung der nationalen Vorschriften führt).[226]

 

Rz. 143

Die in einem Mitgliedstaat ergangenen und in diesem Staat vollstreckbaren Entscheidungen sind nach Art. 42 der VOen in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, wenn sie auf Antrag eines Berechtigten dort nach den Verfahren der Art. 44 bis 57 der VOen für vollstreckbar erklärt worden sind (Notwendigkeit einer Vollstreckbarerklärung). Die Vollstreckbarkeit setzt damit in Güterrechtsangelegenheiten weiterhin ein (am Vorbild der Art. 38 bis 52 Brüssel Ia-VO orientiertes) Exequaturverfahren voraus,[227] weil der europäische Gesetzgeber (vor dessen Abschaffung) zunächst einmal die weitere Entwicklung der Justiziellen Zusammenarbeit im Güterrecht abwarten wollte. Allerdings findet in Bezug auf die Vollstreckbarerklärung ein beschleunigtes Verfahren nach Art. 47 der VOen statt:[228] unverzügliche Vollstreckbarerklärung ohne Prüfung nach Art. 37 der VOen. Für das Verfahren der Antragstellung ist nach Art. 45 Abs. 1 der VOen das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (lex fori) maßgeblich.[229] Sobald die in Art. 45 der VOen vorgesehenen Förmlichkeiten erfolgt sind, wird die Entscheidung nach Art. 47 S. 1 der VOen unverzüglich für vollstreckbar erklärt (unverzügliche Vollstreckbarerklärung), ohne dass eine Prüfung nach Art. 37 der VOen erfolgt ("reduzierter Prüfungsumfang"): sog. beschleunigtes Verfahren.[230]

 

Rz. 144

Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf gem. Art. 49 oder 50 der VOen befassten Gericht nach der Klarstellung des Art. 51 S. 1 der VOen...

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