Rz. 264

Die Nichtzulassungsbeschwerde hatte Erfolg; sie führte gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzte den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

 

Rz. 265

Das Berufungsgericht hatte dadurch, dass es davon abgesehen hat, den gerichtlichen Sachverständigen W. zur Erläuterung seines Gutachtens zu laden, den prozessualen Anspruch der Klägerin auf mündliche Befragung des Sachverständigen verletzt (§§ 397, 402 ZPO). Auch wenn das Berufungsgericht die Frage nach der Verursachung der Rotatorenmanschettenrupturen durch den Unfall selbst für ausreichend geklärt erachtet hat, konnte die Klägerin verlangen, dass dem Sachverständigen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für erforderlich hielt, zur mündlichen Beantwortung vorgelegt werden. Zwar hatte sie erst am Ende der Sitzung beantragt, den Sachverständigen W. anzuhören. Dieser Antrag war aber nicht verspätet und nicht rechtsmissbräuchlich gestellt worden, denn die Klägerin hatte erst in der Anhörung des Sachverständigen C. erfahren, dass dieser mit dem radiologischen Sachverständigen W. telefoniert hatte und seine mündlichen Erläuterungen darauf gründeten. Das Telefongespräch war keine ordnungsgemäße Beweisaufnahme, weil die Klägerin ihrerseits keine Gelegenheit hatte, an den Sachverständigen W. die ihr wichtig erscheinenden Fragen zu richten.

 

Rz. 266

Dass die Stellungnahmefrist nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO abgelaufen war, stand dem nicht entgegen. Diese war zur Stellungnahme auf das Gutachten gesetzt worden, während sich der Bedarf der Klägerin zur Anhörung erst aus der telefonischen Besprechung des Sachverständigen C. mit dem Sachverständigen W. ergeben hat, die der Klägerin zuvor nicht ersichtlich bekannt war.

 

Rz. 267

Das Berufungsgericht hätte nach allem dem Antrag der Klägerin auf Anhörung des Sachverständigen W. stattgeben müssen (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.1.2001 – 1 BvR 2075/98, NJW-RR 2001, 1006), wie es ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats entspricht (vgl. Senat, Urt. v. 22.5.2001 – VI ZR 268/00, VersR 2002, 120; v. 29.10.2002 – VI ZR 353/01, VersR 2003, 926; v. 27.1.2004 – VI ZR 150/02, VersR 2004, 1579; Beschl. v. 10.5.2005 – VI ZR 245/04, VersR 2005, 1555; v. 8.11.2005 – VI ZR 121/05, NJW-RR 2006, 1503; v. 22.5.2007 – VI ZR 233/06, VersR 2007, 1713; v. 25.9.2007 – VI ZR 157/06, VersR 2007, 1697).

 

Rz. 268

Das Berufungsgericht wird in der neu eröffneten Instanz die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde und insbesondere berücksichtigen können, dass im vorliegenden Fall Verletzungen des Klägers infolge des Unfalls (mehrfache Brüche, aber auch die Prellungen beider Schultern) zwischen den Parteien unstreitig waren. Damit aber sind Primärverletzungen, für welche die haftungsbegründende Kausalität nach § 286 ZPO festzustellen ist, vorhanden. Der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall und den Rupturen der Rotatorenmanschetten kann auch dann nach dem Maßstab des § 287 Abs. 1 ZPO festzustellen sein, wenn sich der Tatrichter bezüglich der bei einem insgesamt zu ermittelnden Kausalverlauf möglichen Zwischenursachen eine Überzeugung bilden muss. Nur der Nachweis des Haftungsgrunds (die haftungsbegründende Kausalität) unterliegt den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer einzelnen Verletzung (hier: Schulterprellung) beschränkt, sondern umfasst auch die neben der feststehenden Körperverletzung (hier: "Überwurf" des P. u.a. mit Becken- und Rippenbruch) im Sinn des § 823 Abs. 1 BGB entstehenden weiteren Schäden aus derselben Schädigungsursache (vgl. Senat, BGHZ 58, 48, 55 f.; 60, 177, 183 f.; Urt. v. 2.12.1975 – VI ZR 79/74, VersR 1976, 435, 437; v. 21.10.1986 – VI ZR 15/85, VersR 1987, 310; v. 28.1.2003 – VI ZR 139/02, VersR 2003, 474, 475; v. 12.2.2008 – VI ZR 221/06, VersR 2008, 644; vgl. OLG Saarbrücken HVBG-Info 2006, 473 = juris Rn 44).

 

Rz. 269

Die förmliche Anhörung eines Privatsachverständigen ist nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats freilich nicht veranlasst (vgl. Senat, Urt. v. 10.10.2000 – VI ZR 10/00, VersR 2001, 525), doch kann die Partei den Privatsachverständigen zu ihrer Unterstützung in der mündlichen Verhandlung einsetzen und sich von ihm bei der Fragestellung beraten lassen, falls sie ihm nicht ohnehin ihr Fragerecht übertragen kann oder dieser als Nebenintervenient gewisse eigene Rechte ausüben kann (§ 67 ZPO).

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