Rz. 170

Diese Ausführungen hielten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die vom Berufungsgericht bisher getroffenen Feststellungen gestatteten es nicht, eine Haftung der Beklagten zu 1 und 2 für den vom Sachverständigen Prof. Dr. H. festgestellten Körperschaden der Klägerin (rezidivierende Blockierungen der oberen Halswirbelsäule mit einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % aus orthopädischer Sicht) zu verneinen. Es legte seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft einen zu geringen Umfang der haftungsrechtlichen Kausalität zugrunde.

 

Rz. 171

Ein Anspruch aus §§ 823, 847 BGB, §§ 7, 18 StVG, § 3 PflVersG gegen die Beklagten zu 1 und 2 setzte zunächst voraus, dass der Körper der Klägerin beim Unfall am 2.8.1987 verletzt worden war. Das war schon deshalb zu bejahen, weil die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei diesem ersten Unfall ein HWS-Schleudertrauma erlitten hatte.

 

Rz. 172

Ob die vom Berufungsgericht als bewiesen angesehenen rezidivierenden Blockierungen mit Dauerfolgen aus orthopädischer Sicht auf dieser Verletzung beruhten, war eine Frage der haftungsausfüllenden Kausalität und daher nach § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. Das Berufungsgericht verkannte, dass dieser Ursachenzusammenhang nach seinen eigenen Feststellungen nicht in Zweifel gezogen werden konnte. Die Beklagten zu 1 und 2 hafteten nicht nur dann, wenn die Folgen ausschließlich auf den Erstunfall zurückzuführen waren. Falls – was das Berufungsgericht nicht auszuschließen vermochte – erst der zweite Unfall zu der Schwere der (jetzt noch verbliebenen) Verletzung geführt haben sollte, waren dennoch die Beklagten zu 1 und 2 hierfür mitverantwortlich. Die haftungsausfüllende Kausalität entfällt nicht schon dann, wenn ein weiteres Ereignis mitursächlich für den endgültigen Schaden geworden ist (vgl. Senatsurt. v. 26.1.1999 – VI ZR 374/97, VersR 1999, 862; v. 11.11.1997 – VI ZR 146/96, VersR 1998, 200; v. 5.11.1996 – VI ZR 275/95, VersR 1997, 122). Ausschlaggebend ist deshalb nicht, ob die Verletzung des ersten Unfalls ohne den zweiten Unfall (möglicherweise) vollständig hätte ausheilen können. Entscheidend ist vielmehr, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalles im Zeitpunkt des zweiten Unfalles bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu den nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat, oder ob sie noch nicht ausgeheilt waren. Das Berufungsgericht war ersichtlich von letzterem ausgegangen, wenn es (dem orthopädischen Sachverständigen folgend) nicht ausschließen konnte, dass die "Erstunfallfolge" ohne den zweiten Unfall vollständig hätte ausheilen können. Bei dieser Betrachtungsweise waren zum Zeitpunkt des zweiten Unfalls jedenfalls noch Folgen des ersten Ereignisses vorhanden, die nun (möglicherweise) verstärkt wurden und eine besondere Schwere erhielten. Die damit mindestens gegebene Mitursächlichkeit der beim ersten Unfall erlittenen Verletzungen für die heutigen dauerhaften Folgen genügte für eine Bejahung der Kausalität (vgl. auch Senatsurt. v. 22.10.1963 – VI ZR 187/62, VersR 1964, 49, 51).

 

Rz. 173

Die Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. H., der Zweitunfall habe die Verletzung des Erstunfalls möglicherweise "richtungsgebend verstärkt", auf die sich das Berufungsgericht wesentlich stützte, vermochte die Kausalität des ersten Unfalls nicht in Frage zu stellen. Diese aus dem Sozialversicherungsrecht (vgl. z.B. BSGE 6, 87; 6, 192; BSG, Urt. v. 25.3.1999 – B 9 V 11/98 R, SozR 3–3100 § 10 Nr. 6) stammende Formulierung gibt für die Beurteilung der für die zivilrechtliche Haftung notwendigen Ursächlichkeit im naturwissenschaftlichen und logischen Sinn nichts her (vgl. Senatsurt. BGHZ 132, 341, 347).

 

Rz. 174

Es gab auch keine Veranlassung, etwa am haftungsrechtlichen Zurechnungszusammenhang zu zweifeln. Dieser kann zwar in Ausnahmefällen unterbrochen sein, wenn sich bei wertender Betrachtung im Zweiteingriff nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht hat, vielmehr dieses Risiko schon gänzlich abgeklungen war und deshalb zwischen beiden Eingriffen nur ein "äußerlicher", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang besteht, so dass vom Erstschädiger billigerweise nicht verlangt werden kann, dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (vgl. Senatsurt. v. 20.9.1988 – VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273 f.; v. 28.1.1992 – VI ZR 129/91, VersR 1992, 498 f. und v. 10.12.1996 – VI ZR 14/96, VersR 1997, 458; jeweils m.w.N.). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn der erste Unfall noch eine Schadensanfälligkeit hinterlassen hat, auf die die zweite Verletzungshandlung trifft, mag auch erst letztere zu einer besonderen Schwere der Gesundheitsbeschädigung führen.

 

Rz. 175

Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 3 und 4 verneint hatte, begegnete durchgreifenden Bedenken.

Richtig war zwar, dass ein Anspruch gegen die Beklagten zu 3 und 4 nicht bestehen konnte, falls der zweite Unfall keinen Einfluss auf den vom Sachverständigen festgestellt...

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