Rz. 2

Wie bereits die systematische Einordnung von speziell auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Normen wie §§ 611a, 612a, 613a, 619a, 620 Abs. 3, 622, 623 BGB deutlich zeigt, ist der Arbeitsvertrag eine Unterform des Dienstvertrages. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich in diesem Vertrag zur Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung gegen Zahlung eines diese Arbeitsleistung honorierenden Entgelts. Arbeitnehmer – und damit Vertragspartner des Arbeitgebers in einem Arbeitsverhältnis – war bereits vor Inkrafttreten des § 611a BGB nach ständiger Rechtsprechung des BAG derjenige, der "aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet" ist.[1] Entsprechend bringt die nunmehr seit April 2017 in § 611a BGB enthaltene Legaldefinition des Arbeitsverhältnisses ebenfalls zum Ausdruck, dass das Wesen des Arbeitsverhältnisses darin besteht, dass sich der Arbeitnehmer als Schuldner der Arbeitsleistung durch diesen Vertrag "im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit" verpflichtet.[2]

Es lohnt, sich diese Beschreibung der typischen und notwendigen Kennzeichen eines Arbeitsverhältnisses vor und bei der Vertragsgestaltung immer wieder vor Augen zu führen. So ist es etwa zu Beginn des Gestaltungsvorgangs unerlässlich, zumindest für einen Moment innezuhalten und sich kontrollierend mit der Frage zu befassen, ob aus Sicht der Parteien wirklich eine Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses sinnvoll und gewollt ist oder ob nicht etwa eine andere rechtliche Form der Leistungserbringung – wie beispielsweise im Rahmen einer freien Mitarbeit – eher den Interessen einer oder gar beider Parteien entspricht.

 

Rz. 3

Ist eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit gewollt und entspricht damit der Abschluss eines Arbeitsvertrags dem Parteiinteresse, so sollte selbstverständlich der Vertrag auch eindeutig als solcher bezeichnet und überschrieben werden. Auch wenn eine etwaige Falschbezeichnung des Vertrags die wahre rechtliche Natur einer Beschäftigung im Zweifel nicht zu ändern vermag und insoweit meist "unschädlich" bleiben wird,[3] zeichnet sich ein gut gestalteter Vertrag doch dadurch aus, dass er die rechtlich korrekte Überschrift trägt und damit eine zutreffende Beschreibung des in ihm geregelten Rechtsverhältnisses beinhaltet.

Durch die oben zitierte Definition des privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses wird dieses zum einen von öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen wie insbesondere dem Beamtenverhältnis abgegrenzt.[4] Praxisrelevanter und schwieriger als die Abgrenzungsfrage zu öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist allerdings die Abgrenzung zu anderen privatrechtlichen Formen der Tätigkeit für einen anderen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.

[1] BAG v. 31.7.2014 – 2 AZR 422/13 m.w.N.; ErfK/Preis, § 611a Rn 8 ff.; Grüneberg/Weidenkaff, Einf. v. § 611 BGB Rn 7 ff.; zum Arbeitnehmerbegriff siehe auch umfassend Henssler/Grau/Henssler, § 2 Rn 14 ff.
[2] ErfK/Preis, § 611a Rn 8 ff.
[3] So kommt es etwa im sehr praxisrelevanten Fall der Scheinselbstständigkeit für die Qualifizierung des Rechtsverhältnisses letztlich auf die gelebte Praxis und nicht etwa nur auf die Bezeichnung des Vertrags an; vgl. z.B. BSG v. 31.3.2015 – B 12 KR 17/13 R; BAG v. 21.11.2017 – 9 AZR 117/17. Siehe auch § 611a Abs. 1 S. 6 BGB n.F.
[4] Schaub/Vogelsang, § 8 Rn 13; zu Lehrbeauftragen an Hochschulen siehe etwa LAG Baden-Württemberg v. 15.12.2010 – 13 Sa 78/10.

I. Abgrenzung zum "freien" Dienstvertrag

 

Rz. 4

In der Situation des "freien" Dienstvertrags verpflichtet sich der Dienstnehmer ebenso wie der Arbeitnehmer zur Erbringung vertraglich näher definierter Leistungen gegen Zahlung einer Vergütung (§ 611 BGB). Gerade unter dem Aspekt einer möglichen Scheinselbstständigkeit stellt sich daher praktisch nicht selten die Frage der Abgrenzung zwischen Arbeits- und freiem Dienstverhältnis. In den insoweit problematischen Fällen geht es in aller Regel um Verträge zwischen Unternehmen und jedenfalls vermeintlich selbstständig tätigen Einzelpersonen, die dann in eigener Person zur Erfüllung der dienstvertraglichen Pflichten tätig werden.[5] Eine rechtliche Einordnung kann hier schwierig sein, ist jedoch vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlichen Rechtsfolgen im Bereich des Arbeits- bzw. Dienstvertragsrechts und vor allem auch des Steuer- und Sozialversicherungsrechts unerlässlich.

[5] Klösel/Klötzer-Assion/Mahnhold, Contractor Compliance, 1. Kapitel Rn 3.

1. Charakteristische Merkmale des Arbeitsverhältnisses

 

Rz. 5

Vom Arbeitsverhältnis als Unterform des Dienstverhältnisses unterscheidet sich das "freie" Dienstverhältnis – häufig auch als "freie Mitarbeit" bezeichnet – durch einen geringeren Grad persönlicher (nicht notwendigerweise auch wirtschaftlicher) Abhängigkeit.[6]

Unter einem Arbeitnehmer verstand schon die bisherige Rechtsprechung denjenigen, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung...

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