Rz. 425

Da sich die Fertigung und Ablage der Kennzeichen- und Fahreraufnahmen außerhalb der Zulassung bewegt, ist es nur logisch, dass Vidit keine technische Sicherstellung einer korrekten Zuordnung gewährleistet und das Auswertepersonal mit dieser Problematik allein lässt.

Menschen machen jedoch Fehler, und so kann nachfolgend belegt werden, wozu ein derart sorgloser Umgang mit der Materie führt.

 

Rz. 426

Im ersten Fallbeispiel zeigt folgende Abbildung die behördlich erstellten Fotoprints zu einer Auswertung eines Lkw.

Aus der Tabelle über dem Auswerteende (bei Laufzeit 15:33:57:01) ergeben sich für das gemessene Fahrzeug eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 74 km/h und ein vorwerfbarer Abstand von 31 m.

Abbildung 6: behördliche Auswertung eines Lkw; aus Gründen des Datenschutzes wurden alle fallspezifischen Merkmale unkenntlich gemacht

Die gleiche Tabelle (Ende bei Laufzeit 15:33:57:01; 74 km/h und 31 m vorwerfbar) findet sich auch unterhalb der Kennzeichenaufnahme des im Bußgeldbescheid beanzeigten Fahrzeuges.

Wie sofort zu erkennen, handelt es sich dabei jedoch nicht um den ausgewerteten Lkw, sondern das Fahrzeug eines ganz anderen Herstellers.

Anhand der oberen Dateneinblendung lässt sich dabei feststellen, dass die Kennzeichenaufnahme bei Laufzeit 15:33:40:02 und damit etwa 17 s vor Beginn der Auswertung erfolgte.

Abbildung 7: behördliches Aktenblatt mit der Kennzeichenaufnahme des beanzeigten Lkw und beigefügte Berechnungstabelle; zur besseren Erkennbarkeit wurden die Laufzeiten vergrößert.

Auswertung und Kennzeichenaufnahme beziehen sich somit nicht auf dasselbe Fahrzeug.

 

Rz. 427

Ein zweites Fallbeispiel belegt die Fehlzuordnung des Tatvorwurfes bei einem Pkw.

Die folgende Abbildung zeigt zunächst das übersandte Material zur behördlichen Auswertung.

Aus Gründen des Datenschutzes wurden alle fallspezifischen Merkmale unkenntlich gemacht. Lediglich Geschwindigkeit und Abstand sowie ein Teil des auf beiden Seiten identischen Aktenzeichens wurden ausgespart, um die Zusammengehörigkeit beider Seiten nachvollziehen zu können.

Abbildung 8: behördliche Auswerteunterlagen

Aus dem am Ende der behördlichen Auswertung gefertigten Fotoprint (nachfolgend nochmals groß dargestellt) geht hervor, dass sich der Tatvorwurf gegen eine Limousine des Herstellers VW richten muss.

Abbildung 9: am Ende der behördlichen Auswertung erstellter Fotoprint

Tatsächlich wurde jedoch mit dem SUV der Marke Mercedes ein in Gestalt und Größe gänzlich unterschiedliches Fahrzeug beanzeigt.

 

Rz. 428

Das dritte Fallbeispiel wird mit einem Auszug aus dem Bußgeldbescheid eröffnet, in dem (analog zur vorherigen Vorgehensweise) personenspezifischen Merkmale unkenntlich gemacht wurden und nur die zur Verknüpfung erforderlichen Bezugspunkten ausgespart sind.

Abbildung 10: Auszug aus dem Bußgeldbescheid mit teilweise unkenntlich gemachten personenspezifischen Angaben

Folgende Abbildung zeigt das behördliche Auswerteblatt, aus dem das Kennzeichen und die im Bußgeldbescheid aufgeführten Konkretisierungen (13:05 Uhr, 79 km/h, 17 m) hervor gehen.

Abbildung 11: Behördliches Auswerteblatt mit den Ausschnitten aus der Kennzeichenaufnahme (oben) und dem behördlichen Auswerteende (unten); aus Gründen des Datenschutzes wurden alle fallspezifischen Merkmale unkenntlich gemacht

Schon im Vergleich der schwarz-weißen Fotoprints ist erkennbar, dass sich die Fronten des ausgewerteten und beanzeigten Lkw deutlich unterscheiden; so sind in den beiden Ausschnitten des Ident-Fotos schräge Querstreifen festzustellen, während der Lkw im Video einheitlich (schwarz) gefärbt ist.

Spätestens im direkten Vergleich ist dann zu attestieren, dass dem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen "E* ** **6" fälschlicherweise die Auswertung eines anderen Verkehrsteilnehmers angelastet wurde – der gemäß Systemzeit etwa 2 Minuten früher durch den Messbereich fuhr.

Abbildung 12: Direkter Vergleich des tatsächlich ausgewerteten Lkw (links) und des beanzeigten Lkw (rechts); aus Gründen des Datenschutzes wurden alle fallspezifischen Merkmale unkenntlich gemacht

 

Rz. 429

Sehr interessant ist, dass gemäß Systemlaufzeit

im ersten und dritten Beispiel ein Fahrzeug im Vorfeld der ausgewerteten Verkehrssituation und
im zweiten Beispiel ein Fahrzeug im Nachgang an die ausgewertete Verkehrssituation

als vermeintliches Tatfahrzeug beanzeigt wurde.

Das zeigt, dass eine Fehl-Zuordnung der Ident-Fotos nicht nur "in eine Richtung" auftreten kann. Ein "systematischer" Fehler, etwa ein Zugriff auf einen alten Pfad oder Ordner nach Absturz und Neustart des Auswerteprogramms, lässt sich insofern nicht erkennen.

Ob es sich in den Beispielen dabei um ein einmaliges Versehen oder sogar die Verschiebung aller Kennzeichenaufnahmen handelt, ist völlig unerheblich.

Bereits diese Beispiele belegen, dass das Vertrauen von Vidit in den Faktor Mensch – ohne jede weitere technische Kontrolle – nicht ausreicht, die korrekte Zuordnung eines Kennzeichens/Fahrers zu einem bestimmten Auswertevorgang zu garantieren.

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