Rz. 682

Den Einstieg in diese Betrachtung bildet die Benutzung von handelsüblichen Camcordern. Prinzipiell mit der Vorgehensweise einer "echten" Abstandsmessung identisch, werden die Fahrzeugbewegungen von einem Standort über Fahrbahnniveau in einem Beweisvideo dokumentiert.

 

Rz. 683

Falls diese Aufnahmen an einer für reguläre Abstandsmessungen markierten Messörtlichkeit erfolgen, kann die zugrunde gelegte Wegstrecke weiterhin eine geeichte Größe darstellen.

 

Rz. 684

Meistens sind die in solchen Beweisvideos erkennbaren Markierungen jedoch durch die Behörde selbst aufgebracht und ist die Art der Einmessung bzw. eine evtl. Eichung der zur Einmessung verwendeten Geräte nicht dokumentiert. Auch ist die so markierte "Messstrecke" gewöhnlich wesentlich geringer als die geforderte "nicht nur ganz vorübergehenden Wegstrecke", die für Abstandsverstöße bei Pkw von der Rechtsprechung postuliert wurde. Bei Lkw sollte diese Strecke ohnehin noch größer gefasst sein, um bei Abstandsveränderungen die Verantwortlichkeit für den Abstand bestimmen zu können.

 

Rz. 685

Außerdem müssen derartige Behelfsmarkierungen gerade an solchen Örtlichkeiten vorgenommen werden, an denen (aus gutem Grund) keine Markierungen für "regulären" Abstandsmessverfahren vorgenommen wurden.

 

Rz. 686

So befand sich eine Vielzahl der selbst gewählten Messörtlichkeiten etwa im Bereich von Auf- und Abfahrten, an Steigungsstrecken oder auf Bergkuppen, also dort, wo ladungsbedingte Geschwindigkeitsunterschiede bei Schwerlastverkehr besonders ausgeprägt sind.

 

Rz. 687

Weiterhin verfügt ein handelsüblicher Camcorder, der in derartigen Fällen neben der Aufzeichnung des Beweisvideos über seine eigene Bildlaufzeit auch als Stoppuhr fungiert, nicht über eine geeichte Bildlaufzeit. Bei einer augenscheinlichen Aufzeichnung im PAL-Format (25 Einzelbilder/s) bleibt somit nur zu unterstellen, dass ein Einzelbild einer Bildlaufzeit von 0,04 s entspricht.

 

Rz. 688

Das hat zur Folge, dass eine Auswertung mit einer digitalisierten Videosequenz nicht abschließend möglich ist, da nicht sichergestellt werden kann, dass bei der Digitalisierung alle entsprechenden Einzelbilder erhalten blieben. Insofern ist zur Überprüfung von Geschwindigkeit und Abstand immer die Übersendung des Beweisvideos in analoger und unkomprimierter Form erforderlich.

 

Rz. 689

Eine Zuordnungsmöglichkeit zum beanzeigten Tatvorwurf bieten derartige Videosequenzen aufgrund fehlender Bildinformationen wie Datum und/oder Uhrzeit in der Regel nicht. Darüber hinaus müssen oft wechselnde Zoom-Einstellungen sowie ein "Verwackeln" im Handbetrieb festgestellt werden, was bisweilen keine Zuordnung der Fahrzeugpositionen zu den behördlichen Markierungen bzw. Bezugspunkten erlaubt.

 

Rz. 690

Dadurch bedingt treten behördlicherseits methodische Auswertefehler auf, wenn etwa die Ermittlung des zeitlichen Abstandes lediglich an einem einzigen Bezugspunkt innerhalb der Messstrecke erfolgt bzw. die Berechnungen über eine zu geringe Wegstrecke durchgeführt werden, um Abstands- und/oder Geschwindigkeitsveränderungen ausschließen zu können.

 

Rz. 691

Außerdem konnten immer wieder Fehler beim manuellen Auszählen der Einzelbilder festgestellt werden, womit eine (weitere) Verfälschung der Messwerte einherging. Dies insbesondere dann, wenn die Messung zusätzlich an einer Örtlichkeit ohne fest aufgebrachte Abstandsmarkierungen erfolgte und das Beweismittel damit weder über eine geeichte Zeitmessung noch über eine (geeichte) Wegstrecke verfügt.

 

Rz. 692

Die folgende Aufnahme entstammt einem solchen, mittels Videokamera aufgezeichneten Abstandsverstoß. Das Beweisvideo verfügt weder über eine geeichte Zeiteinblendung noch können Fahrabläufe im Vorfeld der behördlich aufgebrachten Behelfsmarkierungen erkannt werden. Es kann somit unmöglich nachvollzogen werden, ob der erkennbaren Abstandssituation ein konstantes Abstandsverhalten, ein Aufschließen des Lkw im Rahmen einer Überholabsicht oder ein vorheriges Einscheren des vorausfahrenden Fahrzeuges zugrunde liegt.

Abbildung 50: Beispielhafte Dokumentation eines Abstandsverstoßes mit einem handelsüblichen Camcorder ohne Zeiteinblendung und Dokumentation des Fernbereiches. Die Behelfsmarkierungen wurden durch die Behörde aufgebracht und ermöglichen keine Positionierung der Fahrabläufe in mehr als 100 m.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge