Rz. 108

Trifft den Sozialversicherten eine Mitverantwortlichkeit zum Grund (auch schon z.B. bei fehlendem Unabwendbarkeitsbeweis) oder zur Höhe (z.B. kein Gurt/Helm; Mitwirkung bei Schadenvolumen), gilt kein Quotenvorrecht zugunsten des Verletzten bzw. seiner Hinterbliebenen.[99]

 

Rz. 109

Es hat eine modifizierte relative Verteilung zu erfolgen,[100] wobei dann im letzten Schritt zu beachten ist, ob der Geschädigte durch den Übergang seiner Schadenersatzansprüche auf die Sozialleistungsträger sozialhilfebedürftig wird. Ein Forderungswechsel wäre dann nach § 116 Abs. 3 S. 3 SGB X ausgeschlossen (siehe Rdn 116).

[99] BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 120/99 – BGHZ 146, 84 = MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = r+s 2001, 151 = SP 2001, 87 = VersR 2001, 387 m.w.N.
[100] BGH v. 10.10.2006 – VI ZR 44/05 – BGHReport 2007, 56 = DAR 2007, 203 = NJW 2007, 370 = NJW-Spezial 2007, 66 = NZV 2007, 127 = r+s 2007, 83 = SP 2007, 65 = VerkMitt 2007, Nr. 19 = VersR 2006, 1679; BGH v. 27.6.2006 – VI ZR 337/04 – BGHReport 2006, 1367 = DAR 2007, 22 (nur Ls.) = MDR 2007, 151 = NJW 2006, 3565 = NZV 2007, 33 = r+s 2007, 40 = SP 2006, 381 = SVR 2007, 58 (Anm. Lang) = VersR 2006, 1383 = VRS 111, 252 = zfs 2006, 618; BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 120/99 – BGHZ 146, 84 = MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = r+s 2001, 151 = SP 2001, 87 = VersR 2001, 387. Im Detail Heß/Jahnke, S. 69 ff.; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 2 Rn 53 ff.; Jahnke/Burmann-Langenick, Handbuch des Personenschadensrechts, 1. Aufl. 2016, Kap. 7 Rn 383. Siehe ergänzend Groß, Forderungsübergang im Schadenfall, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht – Homburger Tage 1998, S. 24 = DAR 1999, 343 f.; Küppersbusch, Die Ablösung der §§ 1542, 1543 RVO durch die §§ 116 bis 119 SGB X, VersR 1983, 198; von Olshausen, Die Regreßregelung des 116 Abs. 3 S. 2 SGB X – eine Fehlleistung des Gesetzgebers, VersR 1983, 1108; Deinhardt, Der gesetzliche Forderungsübergang nach den §§ 116 – 119 SGB X, VersR 1984, 700. Der Bericht der Bundesregierung über die finanziellen Auswirkungen des Übergangs von Schadenersatzansprüchen nach § 116 SGB X (BT-Drucks 11/3794 v. 27.12.1988 = VersR 1989, 459) zu II. 2. dürfte ebenfalls mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmen.

(aa)1. Schritt

 

Rz. 110

Gemäß § 116 Abs. 3 S. 1 SGB X werden die Ansprüche entsprechend der relativen Theorie auf den verletzten Anspruchsteller (bzw. dessen Hinterbliebenen) und seine Ersatzempfänger – zunächst ohne Beachtung der Haftungshöchstgrenzen – unter Beachtung schadenkongruenter Gruppen (siehe Rdn 115) verteilt.

 

Rz. 111

Zukünftige Ansprüche von unmittelbar Verletztem und Ersatzempfängern sind dabei in kapitalisierter Form in die Berechnung einzustellen.[101]

[101] Zur Berechnung siehe BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 120/99 – HVBG-Info 2001, 488 = MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = r+s 2001, 151 = SP 2001, 87 = VersR 2001, 387.

(bb)2. Schritt

 

Rz. 112

Überschreitet der um den Mithaftungsanteil des Geschädigten gekürzte Gesamtschadenanspruch die gesetzliche Haftungshöchstsumme, ist anschließend das Ergebnis der Aufteilung zwischen Sozialleistungsträgern und Geschädigtem der Haftungshöchstgrenze anzupassen, um die Unterdeckung proportional auf den Sozialleistungsträger und den Geschädigten zu verteilen.

 

Rz. 113

Für die Ansprüche ist der Kürzungsfaktor gemäß § 12 StVG (oder der entsprechenden Vorschrift) zu ermitteln. Dieser Faktor entspricht dem Verhältnis von sämtlichen berechtigten Ersatzansprüchen zur Haftungshöchstsumme (Haftungshöchstsumme * Ersatzansprüche = Kürzungsfaktor). Die einzelnen Ersatzansprüche sind um diesen Faktor zu kürzen.

(cc)3. Schritt

 

Rz. 114

Entsprechend § 116 Abs. 2 SGB X ist bei den einzelnen kongruenten Schadengruppen anschließend kein Quotenvorrecht zugunsten des unmittelbar Verletzten mehr zu berücksichtigen, da dieses dem Geschädigten ein vom Gesetzgeber letztlich nicht gewolltes Quotenvorrecht wieder einräumen würde.[102]

 

Rz. 115

Wie im Falle der Mithaftung eines Sozialversicherten das Schmerzensgeld in das Verteilungsverfahren einbezogen wird, ist bislang ungeklärt. Das zunächst entsprechend der Haftungsquote geminderte[103] Schmerzensgeld steht – wegen der unzureichende Haftungshöchstsumme anteilig gekürzt – gleichrangig neben den anderen Schadenersatzgruppen (wie Sachschaden, Verdienstausfall, Unterhaltsschaden, Beerdigungskosten, vermehrte Bedürfnisse, Heilbehandlungskosten). Da dem immateriellen Anspruch keine Drittleistung entspricht,[104] steht dem Verletzten dieser Schmerzensgeldanteil am Haftungshöchstbetrag allein zur Verfügung.

[102] BGH v. 21.11.2000 – VI ZR 120/99 – HVBG-Info 2001, 488 = MDR 2001, 328 = NJW 2001, 1214 = r+s 2001, 151 = SP 2001, 87 = VersR 2001, 387. A.A.: Küppersbusch, VersR 1983, 203.
[103] Der rechtsdogmatischen Frage, ob die Haftungsquote nur ein Bestandteil der Schmerzensgeldzumessung ist (so in st. Rspr. der BGH) oder ob man zunächst das bei 100 %-Haftung richtige Schmerzensgeld ermittelt und dieses dann entsprechend der Haftungsquote reduziert (so vielfach die Regulierungspraxis, aber au...

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