Leitsatz

In einem Rechtsstreit zwischen geschiedenen Eheleuten um den Ausgleich steuerlicher Nachteile nach Durchführung des begrenzten Realsplittings ging es primär um die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und darum, wie die von der geschiedenen Ehefrau erhobene Klage rechtlich zu qualifizieren ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren geschiedene Eheleute. Der geschiedene Ehemann zahlte nach Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung nachehelichen Unterhalt. Die Parteien waren übereingekommen, das sog. steuerliche Realsplitting zur Optimierung der beiderseitigen Steuerlast durchzuführen. Der geschiedene Ehemann sagte zu, die Ehefrau von den hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteilen freizustellen, kam dieser Zusage jedoch nicht nach.

Er verlegte in der Folgezeit seinen Wohnsitz nach Frankreich. Gleichwohl nahm die geschiedene Ehefrau ihn vor einem deutschen Gericht auf Erstattung ihrer finanziellen Nachteile infolge der Durchführung des begrenzten Realsplittings in Anspruch. Während das AG der Klage teilweise stattgab, wies das Berufungsgericht die Klage wegen Fehlens der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte insgesamt als unzulässig ab.

Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrte.

Ihr Rechtsmittel hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Der BGH ging von der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die vorliegenden Nachteilsausgleichsklage aus, hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Fall zur Sachentscheidung zurück.

Entsprechend der Grundregel des Art. 2 Abs. 1 EuGVVO habe der Beklagte angesichts des in Frankreich gelegenen Wohnsitzes dort seinen Gerichtsstand, es sei denn, die Zuständigkeit sei in Titel II EuGVVO ausdrücklich anders geregelt oder der Beklagte habe sich auf das Verfahren vor den deutschen Gerichten eingelassen.

Da der Beklagte sich zwar auf das Verfahren eingelassen, hierin aber sogleich die Zuständigkeit des deutschen Gerichts gerügt habe, komme für das Klagebegehren eine Zuständigkeit des deutschen Gerichts nur dann in Betracht, wenn dem geltend gemachten Erstattungsanspruch unterhaltsrechtlicher Charakter zukomme. Art. 5 Abs. 2 EuGVVO, der die Zuständigkeit des Gerichts am Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten vorsehe, sei einerseits autonom auszulegen, andererseits sei darauf zu achten, dass eine einheitliche Anwendung der EuGVVO in allen Mitgliedsstaaten gewährleistet sei.

Im Lichte der vorzunehmenden autonomen Auslegung kommt der BGH - anders als das OLG - zu dem Ergebnis, dass der steuerliche Nachteilsausgleichsanspruch eine Unterhaltssache i.S.v. Art. 5 Nr. 2 EuGVVO darstelle. Dieser Anspruch habe schon aus dem Verständnis des deutschen Rechts - jedenfalls auch - unterhaltsrechtlichen Charakter (BGH v. 29.1.1997 - XII ZR 221/95 in FamRZ 1997, 544 ff.).

Allein dies reiche jedoch noch nicht aus, denn mit Blick auf das Ziel einer einheitlichen Anwendung der EuGVVO in allen Mitgliedsstaaten der EU sei der Begriff autonom unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung der Verordnung sowie der Rechtsprechung des EuGH auszulegen. Eine solche autonome Auslegung nahm der BGH vor und sah keinen Anlass zur Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung, weil sich der Begriff aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH klar ableiten lasse. Der als Ausnahmeregelung grundsätzlich eng auszulegende Art. 5 Nr. 2 EuGVVO sei von der hauptsächlichen Erwägung getragen, dass der klagende Unterhaltsberechtigte im Unterhaltsverfahren als die regelmäßig schwächere Partei anzusehen sei, der deshalb eine alternative Zuständigkeitsgrundlage am Wohnort bzw. gewöhnlichen Aufenthalt geboten werden solle. Damit werde dem Beklagten zwar sein natürlicher Gerichtsstand genommen, was dieser jedoch als zumutbare Belastung hinzunehmen habe. Auch die Sachnähe der deutschen Gerichte lasse es gerechtfertigt erscheinen, den Rechtsstreit dort zu entscheiden, wo Voraussetzungen und Höhe des Anspruchs am besten beurteilt werden könnten.

 

Hinweis

Der BGH hat in seiner Entscheidung die Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 2 EuGVVO bejaht. Im Rahmen einer einheitlichen Rechtsprechung zu diesem Rechtsproblem und zum Schutz des Unterhaltsberechtigten ist diese Entscheidung zu begrüßen.

Der seinen Nachteilsausgleich begehrende Unterhaltsberechtigte steht nach der Entscheidung des BGH nicht schlechter, als er bei einer Klage gegen einen im Inland lebenden Unterhaltsschuldner stehen würde.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 17.10.2007, XII ZR 146/05

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