Rz. 1

Das subjektive Erbrecht entsteht erst im Augenblick des Erbfalls, d.h. des Todes des Erblassers, und bleibt vorher schon deshalb ungewiss, weil bis zum Erbfall offen ist, ob der Erbe den Erbfall erleben wird, § 1923 Abs. 1 BGB. Es lässt sich auch nicht sagen, dass zu Lebzeiten des Erblassers schon ein subjektives Erbrecht, aber kein Erbanspruch bestehe; denn zum einen ist das beim Erbfall entstehende Recht des Erben kein Anspruch, und zum anderen wäre das angebliche subjektive Erbrecht zu Lebzeiten des Erblassers ganz inhaltslos. Erst beim Erbfall lässt sich feststellen, wer kraft Gesetzes oder kraft einer Verfügung von Todes wegen zum Erben berufen ist; denn die verwandtschaftlichen, ehelichen oder lebenspartnerschaftlichen Beziehungen können sich verändern, ein Testament kann jederzeit widerrufen werden. Daher kann bei gesetzlichen oder testamentarisch berufenen Erben zu Lebzeiten des Erblassers nicht von einer rechtlich gesicherten, im Werden begriffenen Position, d.h. einem Anwartschaftsrecht, gesprochen werden.

 

Rz. 2

Wer durch Erbvertrag des Erblassers mit einem Dritten als Erbe eingesetzt ist, befindet sich in einer ebenso ungesicherten Lage, da Erblasser und Dritter den Erbvertrag einvernehmlich aufheben können. Grundsätzlich dem alleinigen Willen des Erblassers entzogen ist dagegen eine vertragsmäßige Erbeinsetzung durch einen Erbvertrag mit dem Berufenen selbst sowie eine Einsetzung zum Erben des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners durch gemeinschaftliches Testament, wenn die Verfügung wechselbezüglich ist, der erste Ehegatte bzw. Lebenspartner verstorben ist und der überlebende die ihm angefallene Zuwendung nicht ausgeschlagen hat, § 2271 Abs. 2 BGB. Aber auch in diesen Fällen kann der zum Erben Berufene bis zum Erbfall nicht über seine Rechtsposition verfügen, sie weder veräußern noch belasten. Daher erscheint es auch hier nicht gerechtfertigt, von einem Anwartschaftsrecht vor dem Erbfall zu sprechen. Der künftige Erbe hat also in allen Fällen nur eine mehr oder weniger begründete Aussicht auf das Erbrecht.[1]

[1] Vgl. MüKo/Leipold, § 1922 Rn 163 ff. m.w.N.

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