1. Begriff

 

Rz. 69

Mit der WEG-Novelle hatte der Gesetzgeber in § 10 Abs. 6 WEG a.F. die mit Beschluss des BGH vom 2.6.2005[127] anerkannte Teilrechtsfähigkeit sui generis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Gesetz verankert. Die WEG-Reform widmet der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nunmehr einen eigenen neuen Abschnitt 3. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist nunmehr uneingeschränkt rechtsfähig.

[127] BGH NJW 2005, 2063.

2. Gemeinschaftsordnung

 

Rz. 70

Eine reine sachenrechtliche Teilung ("Teilungserklärung") ist zulässig und wirksam (vgl. oben Rdn 3, Muster 1.1.).[128] Die Kombination mit einer mehr oder minder ausführlichen Gemeinschaftsordnung ist allgemein üblich und sinnvoll, auch wenn es sich um eine Vorratsteilung handelt (siehe Rdn 4).

Das Gesetz überschreibt seinen 4. Abschnitt (§§ 1029 WEG) nunmehr mit dem Titel "Rechtsverhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer". Nach § 10 Abs. 1 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer von allen Vorschriften des Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Nach § 5 Abs. 3, 4 WEG können "Vereinbarungen" sachenrechtliche Bedeutung haben. Insofern besteht das Regelungsmodell der "Gemeinschaftsordnung" aus einem mehrstufigen und wenig systematischen "Geflecht"[129] von Normen, die alle Bereiche der §§ 129 WEG betreffen können. Randscharf abgrenzen lassen sich gemeinschaftsrechtliche Aspekte nur von der rein dinglichen Aufspaltung, und selbst diese enthält mit der Festlegung des Nutzungszwecks (Wohnungs-/Teileigentum) Vereinbarungselemente.[130] Gleichwohl sollten Aufteilung und Gemeinschaftsordnung im Aufbau der Urkunde deutlich voneinander getrennt werden.

[128] Der allseits verwandte Begriff der "Teilungserklärung" ist etwas schief. Er findet eine Grundlage im Gesetz nur im Falle des § 8 WEG, bei § 3 WEG wäre von "Teilungsvertrag" zu sprechen.
[129] So Jennißen/Abramenko, § 10 WEG Rn 2.
[130] Zum Begriff vgl. ferner Bärmann/Suilmann, § 10 WEG Rn 83 ff. "Grundordnung der Gemeinschaft", mit zahlreichen Beispielen. Rechtsfolgen lassen sich daraus i.d.R. nicht ableiten.

3. Vereinbarungen und Beschlüsse (§ 10 Abs. 1, 2, 3 WEG)

 

Rz. 71

Vereinbarungen betreffen das generelle Grundverhältnis der Wohnungseigentümer zueinander. Ihre Gesamtheit bestimmt neben den nicht abbedungenen gesetzlichen Gemeinschaftsregelungen die Gemeinschaftsordnung. Eine präzisere begriffliche Abgrenzung zu sonstigen Regelungsgegenständen ist kaum möglich. Es gilt die Faustregel: "Vereinbarung" ist das, was präzise als Vereinbarung i.S.d. § 10 Abs. 1, 2, 3 WEG bezeichnet wird. Die Gemeinschaftsordnung kann sog. Öffnungsklauseln[131] enthalten, die es in bestimmten Fällen ermöglicht, die Gemeinschaftsordnung durch Mehrheitsbeschluss abzuändern (dazu vgl. § 6 Rdn 8 ff.). Vertragliche Regelungen der sachenrechtlichen Zuordnung (etwa Umwandlung von Gemeinschafts- in Sondereigentum) können nicht durch Vereinbarung herbeigeführt werden.[132]

Beschlüsse betreffen im Wesentlichen die konkrete laufende Verwaltung der Gemeinschaft. Beschlüsse sind nur wirksam, sofern eine entsprechende Beschlusskompetenz besteht. Ist dies nicht der Fall, sind sie unheilbar nichtig. Besteht eine grundlegende Kompetenz, kann aber mangels Beschlussanfechtung auch ein Beschluss in Bestandskraft erwachsen, der nicht "ordnungsgemäßer Verwaltung" entsprach.

 

Rz. 72

 

WEG-Reform:

Nach § 10 Abs. 3 S. 1 WEG wirken Beschlüsse der Wohnungseigentümer, die aufgrund einer Vereinbarung (vereinbarte Öffnungsklausel) gefasst werden, nur dann gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Hiervon zu unterscheiden sind Beschlüsse, die aufgrund einer gesetzlichen Beschlusskompetenz (gesetzliche Öffnungsklausel) gefasst werden. Diese wirken gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 WEG auch ohne Grundbucheintragung gegenüber Sondernachfolgern eines Wohnungseigentümers. Werden Beschlüsse aufgrund gesetzlicher Öffnungsklausel gefasst, können sie daher auch nicht in das Grundbuch eingetragen werden.[133]

Um welche Art Beschluss es sich handelt, ist objektiv zu bestimmen. Entscheidend ist die Frage, ob der betreffende Beschluss auf der Grundlage einer gesetzlichen Beschlusskompetenz des WEG in der Fassung durch das WEMoG gefasst werden kann.[134] Gibt es eine gesetzliche Beschlusskompetenz und eine gleichlautende Beschlusskompetenz in der Gemeinschaftsordnung, geht die gesetzliche Beschlusskompetenz vor.[135]

 

[131] Vgl. zu den Tücken von Öffnungsklauseln etwa BGH NJW-RR 2015, 847 und Brückner, ZNotP 2015, 328, 333 f.
[132] BGH NZM 2013, 514; NZM 2012, 613; NJW 2003, 2165, 2166; vgl. auch BGH NJW 2016, 2177.
[133] Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn 1757.
[134] Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn 1757.
[135] Vgl. im Einzelnen Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn 1758 ff., zum Eintragungsverfahren siehe auch Rn 1763 ff.

4. Aufhebung der Gemeinschaft

 

Rz. 73

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann grundsätzlich nur im Ausnahmefall aufgehoben werden, nämlich nach § 11 Abs. 1 S. 3 ...

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