Rz. 97

Bis in die 1970er Jahre wurden Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen überwiegend von einem juristisch nicht geschulten Mitarbeiter des aufteilenden Eigentümers konzipiert und anschließend (§ 8 WEG) vom Notar lediglich beglaubigt. Auch heute noch sind von Fachanwälten begleitete Entwürfe für Teilungserklärungen und Gemeinschaftsordnungen die absolute Ausnahme. Spezialisierte Anwälte begegnen in aller Regel dem Notar erst, wenn es um die Reparatur verunglückter Aufteilungen geht. Mehr als die Hälfte aller höchstrichterlichen Entscheidungen zum Wohnungseigentumsrecht betrifft die Jahre ab 2002. Und auch für die Grundbuchrechtspfleger ist Wohnungseigentumsrecht eine eher spröde Materie. Die Prüfung eines Grundstückskaufvertrages ist wegen §§ 19, 20 GBO schnell erledigt. Bei der Eintragung einer Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung in das Grundbuch obliegt dem Rechtspfleger hingegen eine umfängliche formelle und materielle Rechtmäßigkeitskontrolle, die das akribische Studium von 20–30seitigen Urkunden nebst umfangreichen Plananlagen umfassen kann. Dies wird durch die WEG-Reform noch verschärft: Nunmehr ist auch zu prüfen, ob Freiflächen in Planunterlagen richtig vermaßt sind und, bei Anhaltspunkten, ob die Wohnungs- oder Teileigentumseinheit wirtschaftlich noch die Hauptsache ist.

 

Praxistipp

Häufig kommt es zu Verzögerungen beim grundbuchlichen Vollzug, weil Rechtspfleger bemängeln, bestimmte Regelungen könnten nicht mit dinglicher Wirkung vereinbart werden (z.B. Vollmachten, Ansprüche auf eine spätere Realteilung oder Ansprüche auf Begründung weiteren Sondereigentums). Dies kann vermieden werden, wenn in der Urkunde deutlich unterschieden wird zwischen schuldrechtlichen Vereinbarungen und Regelungen, die von der Bewilligung umfasst sein und damit dinglich wirken sollen. Es empfiehlt sich ggf. ein klarstellender Zusatz ("Das Vorstehende ist nur schuldrechtlich vereinbart."), der mit der Verpflichtung zur Weitergabe an Rechtsnachfolger (mit erneuter Weitergabeverpflichtung) versehen sein sollte.

 

Rz. 98

Gewöhnlich erfolgen die Beantragung der baubehördlichen Abgeschlossenheitsbescheinigung und die Erstellung der dafür erforderlichen Pläne immer noch durch Architekten. Selten wird der Notar beauftragt, die Abgeschlossenheitsbescheinigung zu beantragen. Die anschließende Prüfungszuständigkeit liegt bei lediglich bautechnisch vorgebildeten Mitarbeitern der Baubehörden. Wohnungseigentumsrechtliche Kenntnisse sind hier meistens nicht verbreitet. Auch der Notar ist nach der Rechtsprechung nicht verpflichtet, eine äußerlich ordnungsgemäß erscheinende baubehördliche Abgeschlossenheitsbescheinigung auf inhaltliche Mängel durchzusehen (vgl. oben Rdn 68). Die rechtlich vorgegebene Betreuungsintensität dürfte somit im Vergleich z.B. zum Gesellschaftsrecht oder auch dem "normalen" Grundstücksrecht deutlich geringer sein. Dies erhöht die potenziellen Fehlerquellen, die es möglichst zu vermeiden gilt.

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