Rz. 53

Sondernutzungsrechte haben einen vielfältigen Anwendungsbereich: Der praktisch häufigste Anwendungsfall betraf bisher Grundstücksfreiflächen. Diese waren nach bisher geltender Rechtslage nicht sondereigentumsfähig. Dennoch bestand ein praktisches Bedürfnis, einzelnen Eigentümern oder, seltener, einer Gruppe von Eigentümern z.B. Gartenflächen, oberirdische Kfz-Stellplätze oder sonstige Bereiche zur ausschließlichen Nutzung zuzuweisen. Selbst bei eigentlich sondereigentumsfähigen Räumen war, und ist nach wie vor, teilweise aus Kosten- und Flexibilitätsgründen die Bildung von Sondernutzungsrechten anzuraten.

 

Rz. 54

 

WEG-Reform: Wahl zwischen (Annex-)Sondereigentum und Sondernutzungsrecht an Freiflächen und Stellplätzen

Nach der WEG-Reform stehen hinsichtlich Freiflächen und Stellplätzen grundsätzlich die Gestaltungsalternativen (Annex-)Sondereigentum und Sondernutzungsrecht zur Verfügung.[92]

Folgende Kriterien können dabei bei der Entscheidung u.a. herangezogen werden:

Eignung von (Annex-)Sondereigentum: In manchen Konstellationen scheidet Sondereigentum von vornherein aus, nämlich z.B. dann, wenn zwei Wohnungseigentumseinheiten auf eine Freifläche, z.B. einen gemeinsamen Weg, erstreckt werden sollen: Es gibt nach wie vor kein (Mit-)Sondereigentum (siehe Rdn 43 f.). Möglich ist in diesen Fällen daher nur ein gemeinschaftliches Sondernutzungsrecht an dem Weg, das beiden Einheiten zugeordnet wird. Kritisch sind auch die Fälle, in denen unklar ist, ob die Sondereigentumseinheit wirtschaftlich noch die Hauptsache bildet (Sondereigentum an Kellerraum soll auf Freifläche erstreckt werden, vgl. § 3 Abs. 2 WEG) oder ob eine Erstreckung zulässig wäre (Sondereigentum an oberirdischem Stellplatz soll auf benachbarte Freifläche erstreckt werden, siehe Rdn 11). Hier können ebenfalls Sondernutzungsrechte weiterhelfen.

In anderen Fällen muss die Interessenlage ermittelt werden.

Werden Stellplätze als Sondereigentum ausgewiesen, können sie, anders als bei der Ausweisung als Sondernutzungsrecht, an Erwerber außerhalb der WEG verkauft werden. Dies kann ein echter Vorteil sein, insbesondere in Gegenden mit Stellplatzknappheit. Umgekehrt möchten manche aufteilenden Eigentümer eine solche "Zerfaserung" der Eigentümerstruktur und deren Folgen gerade vermeiden, da Konflikte zwischen Eigentümern mit Wohnungs- und Teileigentum und solchen mit Teileigentum nur an oberirdischen Stellplätzen, die kaum Interesse am Erhalt des Gebäudes haben, absehbar wären.[93] Dann bietet es sich an, Stellplätze als Sondernutzungsrechte auszuweisen, um sie in der Gemeinschaft zu halten.
Beim sogenannten "gestreckten" Erwerb können Sondernutzungsrechte äußerst vorteilhaft sein und dem aufteilenden Eigentümer bei geschickter Gestaltung ein größtmögliches Maß an Flexibilität geben.[94] Soll hingegen im Zuge eines Projektes, bei dem die Abverkäufe schon begonnen haben, Sondereigentum an weiteren Stellplätzen oder Annex-Sondereigentum an weiteren Gartenflächen für spätere Erwerber begründet werden, ist der Aufwand deutlich größer, da Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum umgewandelt werden muss, und dies unter Mitwirkung aller bisherigen Erwerber und aller Grundpfandrechtsgläubiger.[95]
Hinsichtlich Freiflächen, insbesondere Gartenflächen, bietet die Erstreckung von Sondereigentum jedoch auch Vorteile: Zum einen kommt dies der Erwartungshaltung von Erwerbern entgegen, die echtes Eigentum an "ihrem" Garten haben möchten und schon allein dadurch irritiert wären, dass mit Sondernutzungsrechten belegte Flächen rechtlich weiterhin im Gemeinschaftseigentum stehen.[96] Zum anderen folgt das Annex-Sondereigentum als echtes Eigentum klaren Regeln, was z.B. Abwehransprüche, die Bestellung von Dienstbarkeiten,[97] die (im Falle von Sondereigentum zwingend zu beurkundende) Übertragung und den Erwerb aufgrund öffentlichen Glaubens angeht.
Bei Sondernutzungsrechten ist zwar vieles nach wie vor im Einzelnen umstritten;[98] Sondernutzungsrechte beruhen jedoch auf einer mittlerweile verlässlichen Rechtsprechungsgrundlage,[99] können inhaltlich nahezu nach Belieben ausgestaltet werden und haben sich in der notariellen Praxis gerade im Fall von Stellplätzen und Gartenflächen als bewährte Gestaltungsmittel erwiesen.[100] Bei Gartenflächen werden hier üblicherweise Detailregelungen zur Nutzung, Bepflanzung, Errichtung/Aufstellung von Spielgeräten, Gartenhäusern etc. aufgenommen, die die Lösung möglicher typischer Streitigkeiten in der Wohnungseigentümergemeinschaft vorwegnehmen und kanalisieren. Wird hingegen Annex-Sondereigentum an Freiflächen begründet, und versäumt der beurkundende Notar es, weitere Regelungen zu treffen, reichen die dann eingreifenden gesetzlichen Regelungen möglicherweise nicht aus, sind zu weit oder zu eng. Der Regelungsaufwand ist also bei Annex-Sondereigentum möglicherweise nicht geringer: Für die jeweilige Freifläche sollten ausdrücklich Zweckbestimmungen getroffen werden (z.B. Garten, Terrasse, Weg etc.).[101] Bei Gartenflächen ist in jedem Fal...

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