Rz. 153

Das auf den grenzüberschreitenden Konzern anwendbare Recht wird grundsätzlich an das Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft angekoppelt. Im Unterordnungskonzern[208] unterliegen Begründung, Wirkungen und Auflösung des Konzernrechtsverhältnisses daher ausschließlich dem Recht der abhängigen Gesellschaft. Dies gilt gleichermaßen für den vertraglichen wie auch für den faktischen Konzern.[209] Allenfalls für die internen Verhältnisse der herrschenden Gesellschaft (die sog. Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle, wie z.B. das Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses zum Abschluss des Konzernvertrags) gilt auch das Gesellschaftsstatut der herrschenden Gesellschaft.[210]

 

Rz. 154

Schwieriger ist hier die Behandlung des Gleichordnungskonzerns. Nach wohl überwiegender Ansicht sind hier – da ein Schwerpunkt nicht gebildet werden kann – die Gesellschaftsrechte beider beteiligter Gesellschaften anzuwenden, so dass es zu einer Kumulation mehrerer Rechte kommt. Vergleichbar ist die Situation also insoweit mit dem Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung von Gesellschaften.[211]

 

Rz. 155

Die Zulässigkeit grenzüberschreitender Unternehmensverträge nach deutschem Konzernrecht – also mit einer deutschen Gesellschaft als abhängiger Gesellschaft – wird mittlerweile allgemein anerkannt.[212] Vereinzelt findet man noch die Ansicht, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag müsse eine ausdrückliche Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts, die Vereinbarung eines deutschen Gerichtsstands und die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens, eine Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil zu dulden, enthalten, ansonsten sei er nichtig.[213] Eine rechtliche Grundlage hierfür gibt es nicht. Darüber hinaus macht eine solche Vereinbarung auch wenig Sinn. Die Rechtswahl wäre wirkungslos, da die Geltung des Rechts der beherrschten Gesellschaft zwingend ist; die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ist ohnehin zu dulden, soweit das Urteil anerkennungsfähig ist; welche Gerichtsstände in Europa zwingend sind und in welchen Fällen eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung zulässig ist, ergibt sich zwingend aus Art. 24, 25 der Europäischen Gerichtsstands- und VollstreckungsVO 1215/2012 vom 12.12.2012 (Brüssel Ia-VO bzw. EuGVVO).[214]

[208] Zum grenzüberschreitenden Gleichordnungskonzern z.B. Spahlinger/Wegen, Internationales Gesellschaftsrecht, 2005, Rn 396 ff.
[209] Heckschen, § 6 Rn 52 (in diesem Werk); MüKo-BGB/Kindler, IntGesR, 8. Aufl. 2020, Rn 685 ff. – dort auch eine ausführliche Zusammenstellung abweichender Theorien; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band 2, 2. Aufl. 2019, § 7 Rn 240; GroßkommGmbHG/Behrens/Hoffmann, 3. Aufl. 2019, Einl. B Rn 124; Leible, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, System. Darst. 2 Rn 238; Bauschatz, Internationale Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, Der Konzern 2003, 805 ff.; i.E. auch BGH NJW 1998, 1866 – dort nicht ausdrücklich Stellung beziehend.
[210] Bauschatz, Der Konzern 2003, 806.
[211] MüKo-BGB/Kindler, IntGesR, 8. Aufl. 2020, Rn 720; Leible, in: Michalski/ Heidinger/Leible/Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, System. Darst. 2 Teil 1 Rn 245. Für eine differenzierte Behandlung: von Bar/Mankowski, IPR II, 2. Aufl. 2019 § 7 Rn 245; MüKo-BGB/Kindler, IntGesR, 8. Aufl. 2020, Rn 720.
[212] BGH NJW 1992, 2760; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl. 2019 § 291 Rn 37; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, Anh. § 13 Rn 96; Michalski/ Heidinger/Leible/Schmidt/Leible, GmbHG, §. Aufl. 201/, System. Darst. 2 Rn 242. Nachweis älterer abweichender Ansichten bei MüKo-BGB/Kindler, IntGesR, 8. Aufl. 2020, Rn 703 ff.; Staudinger/Großfeld, IntGesR, 1998, Rn 567.
[213] Vgl. Staudinger/Großfeld, IntGesR, 1998, Rn 575 ff.; Leible, in: Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, 3. Aufl. 2017, System. Darst. 2 Rn 242.
[214] ABl EG 2012 Nr. L 351, S. 1; Text im Downloadbereich unter der Rubrik Europa-Gesetzgebung.

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