Rz. 28

Art. XVII, XXVII lit. c) des General Agreement on Trade in Services (GATS) gewährt allen Unternehmen, insbesondere juristischen Personen, die nach dem Recht eines der WTO-Mitgliedstaaten[41] gegründet worden sind und in irgendeinem der WTO-Mitgliedstaaten eine erhebliche Geschäftstätigkeit ausgeübt haben, einen garantierten Marktzugang. Leible[42] hatte einmal die Diskussion aufgeworfen, ob nicht auch diese Marktzugangsberechtigung den Anspruch einer nach dem Recht eines der Mitgliedstaaten gegründeten GmbH bzw. sonstigen Kapitalgesellschaft mit sich bringe, selbst dann auf der Basis des Gründungsstatuts anerkannt zu werden, wenn mit dem Marktzugang, also der Errichtung einer Niederlassung in Deutschland, tatsächlich die Verlagerung des Unternehmensschwerpunktes nach Deutschland einhergeht.[43]

 

Rz. 29

Bejaht man dies, würde die Gründungstheorie für die Gesellschaften aus allen 146 Mitgliedstaaten der WTO und damit praktisch weltweit gelten. Eine erhebliche inhaltliche Einschränkung ergäbe sich aber daraus, dass die Gesellschaft in einem der WTO-Mitgliedstaaten (nicht aber unbedingt demselben Staat, nach dessen Recht die Gründung erfolgt ist) eine erhebliche Geschäftstätigkeit ausgeübt haben muss. Reine Briefkastengesellschaften, die von Anfang an für den Einsatz im Inland errichtet worden sind und allenfalls bis dahin im Gründungsstaat als "Vorratsgesellschaft" eine blutlose Existenz zwischen Aktendeckeln fristeten oder denen gar als sog. Offshore-Company eine geschäftliche Tätigkeit im Gründungsstaat verboten ist, könnten sich daher auf dieses Privileg nicht berufen. Wohl aber wäre die Konstellation "nachträgliche Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes aus dem Ausland in das deutsche Inland" aus dem Repertoire der Zuzugsfälle erfasst.

[41] Als sog. multilaterales Abkommen gilt das GATS dabei für sämtliche Mitglieder der WTO.
[42] Leible, ZGR 2004, 531.
[43] Vgl. Lehmann, RIW 2004, 816 – dieser i.E. aber ablehnend; MüKo-IntGesR /Kindler, 8. Aufl. 2020, IntGesR Rn 507; NK-BGB/Hoffmann, 4. Aufl. 2021, Anh. zu Art. 12 EGBGB Rn 156; ausführlich Teichmann/Knaier, § 4 Rdn 19 f. (in diesem Werk); zurückhaltend: Mankowski, RIW 2005, 486.

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