Rz. 14

Die Gründe, im Privatbereich eine Testamentsvollstreckung zu verfügen, sind vielfältig und ebenso unterschiedlich wie die Erblasser selbst. Darunter gibt es sicherlich auch eher irrationale Gründe wie die Vorstellung, die Erben noch aus dem Grab heraus mit kalter Hand dirigieren zu wollen. In der Praxis spielt dieser Gedanke allerdings im Unterschied zu den empirisch nicht belegten Ausführungen in manchen Lehrbüchern eine ausgesprochen untergeordnete Rolle. Vielmehr stehen regelmäßig die wohlverstandenen Interessen des Nachlasses im Vordergrund.

Als Gründe für eine Testamentsvollstreckung im privaten Vermögensbereich lassen sich feststellen:

immer werthaltigere und komplizierter strukturierte Vermögen (z.B. Fonds und Beteiligungen[19] sowie das in bestimmten Kreisen zunehmend häufiger anzutreffende Auslandsvermögen)
immer weniger, oftmals ganz fehlende Abkömmlinge
fehlendes Vertrauen in die vorhandenen Abkömmlinge
Patchwork-Familienstrukturen (hier liegt die Gefahr auf der Hand, dass bei unvorhergesehener Versterbensreihenfolge das Vermögen in den "falschen" Stamm abwandert)
karitative Erwägungen (aufgrund des damit verbundenen Imagegewinns in der Öffentlichkeit oder aus schierer Dankbarkeit über das gelungene eigene Leben)
Versorgung behinderter Abkömmlinge
Unabhängigkeit von den Unwägbarkeiten der öffentlichen Hand
Vereinfachung und Sicherstellung der Nachlassabwicklung (haben die bedachten Abkömmlinge ihren Lebensmittelpunkt in Übersee und sollen sie mit den Formalitäten in Deutschland nicht belastet werden, stellt die Testamentsvollstreckung die passende, serviceorientierte Dienstleistung dar)
Schutz des Nachlasses vor dem Zugriff von Eigengläubigern des Erben (bspw. bei Verbraucherinsolvenz oder in Hartz IV-Fällen[20]).
 

Rz. 15

Der rechtliche Schlüssel zu diesen Wohltaten, die die Testamentsvollstreckung bewirken kann, liegt in dem Umstand begründet, dass die Testamentsvollstreckung gemäß §§ 2205, 2211, 2214 BGB zu einer Trennung von Nachlassvermögen und Eigenvermögen des Erben führt, und zwar automatisch ab dem Zeitpunkt des Erbfalls. Durch die geschickte Anordnung der richtigen Form der Testamentsvollstreckung in Verbindung mit weiteren erbrechtlichen Instrumentarien, häufig aus dem Bereich der Vor- und Nacherbschaft, ist es daher möglich, die persönlichen Gläubiger des Erben für die Dauer der Testamentsvollstreckung vom Nachlass fernzuhalten.[21]

[19] Angesichts einer entsprechenden Beratungspraxis der Banken enthalten heute auch viele "bürgerliche" Nachlässe derartige Beteiligungen, bspw. Medien- oder Schiffsfonds. Zumeist handelt es sich um Kommanditbeteiligungen, die besonderen Nachfolgeregelungen kraft Gesellschaftsvertrages unterliegen.
[20] Die Zahl der Verbraucherinsolvenzfälle steigt kontinuierlich. Viele Erblasser möchten verhindern, dass in der Wohlverhaltensphase die Hälfte des auf den Schuldner entfallenden Nachlassteilsanteils an den Treuhänder und damit an die Gläubiger auszukehren ist. Eine vergleichbare Situation stellt sich in Fällen, in denen der Bedachte Bezieher von Sozialleistungen ist.
[21] Wegen der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, die ggf. auch die nachfolgende Generation einbeziehen muss, und aufgrund der noch nicht in allen Fällen gefestigten Rechtsprechung ist unbedingt die Hinzuziehung eines Spezialisten bereits bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung geboten.

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