1 § 1 Entwicklung der Rechtsschutzversicherung

1.1 A. Der Rechtsschutzgedanke

1.1.1 I. Die Idee der Gewährung von Rechtsschutz

1.1.1.1 1. Ursprünge der Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 1

Während die Rechtsschutzversicherung ein noch junger Zweig der Privatversicherung ist, kennt man aus dem Mittelalter schon genossenschaftliche Rechtsverfolgung durch Gilden und ähnliche Zusammenschlüsse. Im 19. Jahrhundert entstanden dann Interessenverbände und Schutzvereine (z.B. Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Bauernvereine, Kreditschutzverbände, Haus- und Grundbesitzervereine), deren Zweck es war, den Mitgliedern Rechtsrat oder noch weitergehende Rechtshilfe zu gewähren, indem für das Mitglied Schriftwechsel oder Verhandlungen geführt wurden.

 

Rz. 2

Die Gewährung von Rechtsschutz als alleiniger Verbandszweck ist in Deutschland erstmals bei dem 1901 gegründeten Schutzverein für Reeder zu finden. Dieser Verein unterstützte seine Mitglieder bei Streitigkeiten aus Fracht- und Versicherungsverträgen sowie bei Entschädigungsansprüchen wegen Verlustes oder Beschädigung der Ladung oder bei Havarie. Im Jahre 1910 folgte dann ein Verein für Hausund Grundbesitzer, der für seine Mitglieder Ansprüche aus Bergbauschäden gegen Bergwerksgesellschaften geltend machte. Beide Vereinigungen bestehen heute, wenn auch mit geänderter Satzung, noch fort.

 

Rz. 3

Der Ursprung der Rechtsschutzversicherung entsprechend der Grundform der heutigen Rechtsschutzversicherung liegt in Deutschland im Jahre 1928, als die Deutsche Automobilschutz Aktiengesellschaft gegründet wurde. Diese bot Versicherungsschutz ausschließlich für den Verkehrsbereich, und zwar lediglich für die Durchsetzung von Ansprüchen aus Verkehrsunfällen sowie für die Verteidigung in Strafverfahren wegen Verletzung verkehrsrechtlicher Vorschriften.

1.1.1.2 2. Die Einordnung der Rechtsschutzversicherung in das Versicherungssystem

 

Rz. 4

Die Rechtsschutzversicherung ist eine Versicherung im System der Privatversicherung.

In den 70er Jahren kam in die Diskussion, die Rechtsschutzversicherung als Pflicht-Rechtsschutzversicherung zu gestalten. Dieser Gedanke ist aber überwiegend auf Ablehnung gestoßen.[1]

[1] Harbauer/Bauer, ARB 2000, Einleitung Rn 48.

1.1.1.3 3. Die aktuelle Situation

 

Rz. 5

Die Rechtsschutzversicherung hat in den letzten Jahrzehnten deutlich an Bedeutung gewonnen. Bauer/Schneider[2] weisen zu Recht darauf hin, dass angesichts der Rechtsunsicherheit, die große Teile der Rechtsprechung erfasst hat und die eine vernünftige Kalkulation des Prozessausgangs häufig unmöglich macht, die Rechtsschutzversicherung für viele Rechtsuchende eine erhebliche Bedeutung erlangt hat. Die Meinung, eine Rechtsschutzversicherung sei entbehrlich, weil im Falle einer erfolgreichen Rechtsverfolgung der Gegner ohnehin die Kosten zu erstatten habe, war noch nie richtig und ist es heute weniger denn je.[3]

Unter dem Titel "Service ayls Wachstumsstrategie" vertritt Heinsen[4] die Meinung, der Rechtsschutzmarkt stecke in der Krise. Dieser Einschätzung kann nicht beigepflichtet werden. Der Begriff "Krise" wird hier nicht zutreffend verwandt. Eine Krise liegt vor, wenn sich für ein Unternehmen die Rahmenbedingungen plötzlich verändern, ohne dass dieses vorhergesehen wurde.[5] Vielmehr ist es so, dass die Rechtsschutzsparte stagniert und Wachstumsprobleme hat; insgesamt ist aber die Rechtsschutzsparte als wirtschaftlich und finanziell gesund zu bewerten. Es kann allenfalls von einer Stagnation des Wachstums gesprochen werden.

[2] Van Bühren/Schneider, Handbuch Versicherungsrecht, § 13 Rn 4.
[3] Van Bühren/Schneider, Handbuch Versicherungsrecht, § 13 Rn 4.
[4] Heinsen,Service als Wachstumsstrategie, VW 2010, 1530.
[5] Gabler Kompakt-Lexikon Wirtschaft, Stichwort "Krise", 2013.

1.1.1.4 4. Keine Rechtsberatung durch Rechtsschutzversicherung

 

Rz. 6

Nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz ist Rechtsschutzversicherungen keine Rechtsberatung gestattet. Dies beruht auf der Erwägung des Gesetzesgebers, dass sich bei Rechtsberatung durch Rechtsschutzversicherungen Interessenkonflikte ergeben können. Es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Rechtsdienstleistung, also Rechtsberatung, nicht zulässig ist, wenn diese unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben kann. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 4 RDG.

 

Beispiel

Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiel eines solchen Interessenkonflikts den Fall, dass eine Rechtsschutzversicherung mit dem Gegner des Rechtsschutzversicherten verhandelt. Dies könnte die Erfüllung der eigentlichen sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Aufgabe gefährden. Denn das wirtschaftliche Interesse des Versicherers sei auf die Vermeidung von Kosten der Rechtsverfolgung gerichtet, zu deren Übernahme der Versicherer aber gerade verpflichtet sei.[6]

Zusätzlich ist auf den Aspekt hinzuweisen, dass nach den Versicherungsbedingungen der Rechtsschutzversicherung regelmäßig nur die aussichtsreiche Rechtsverfolgung versichert ist. Nahe liegend ist die Überlegung, dass die Rechtsschutzversicherung ein Ergebnis der Beratung anstrebt, das Rechtsverfolgungskosten vermeidet.[7]

[6] Otting,Rechtsdienstleistungen, Rn 64 unter Hinweis auf BT-Drucks 16/3655, S. 51.
[7] Otting,Rechtsdienstleistungen, Rn 66.

1.1.1.5 Service-/Assistanceleistung

1.1.1.5.1 a) Tendenz zu Assistance-Leistungen

 

Rz. 8

Immer deutlicher wird bei den Rechtsschutzversicherungen die Tendenz erkennbar, nicht nur Kostenversicherer zu sein, sonde...

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