A. Gegenstand des Rechtsschutzversicherungsversprechens

 

Rz. 1

Ob Verkehrsunfall, Mängel in der Wohnung oder Kündigung des Arbeitsvertrages – im Alltag gibt immer wieder Meinungsverschiedenheiten, die mitunter zum Gang vor den Kadi führen – doch der ist bekanntlich teuer: Neben Zeit und Nerven kostet ein Gerichtsverfahren in der Regel viel Geld, bei hohen Streitwerten liegen Anwalts- und Gerichtsgebühren schnell im vierstelligen Bereich. Viele Rechtsrat suchende Bürgerinnen und Bürger sichern sich deshalb durch eine Rechtsschutzversicherung ab – sonst könnte die gerichtliche Auseinandersetzung bereits am Geld scheitern.

B. Historischer Rückblick

 

Rz. 2

Die Geschichte der Rechtsschutzversicherung reicht bis in das Mittelalter zurück. Über die Zünfte und Gilden, die sich gegenseitig genossenschaftlichen Beistand in der Rechtsverfolgung boten, findet sich die Idee der Rechtsschutzversicherung im 19. Jahrhundert auch bei den Gewerkschaften, den Bauernvereinen oder den Haus- und Grundbesitzervereinen oder den Reedern wieder.[1] Ihren neuzeitlichen Ursprung haben sie in einem Zusammenschluss von Rennfahrern, die sich 1917 in Le Mans zusammenfanden, um das Kostenrisiko von Rechtsstreitigkeiten rund um ihre Leidenschaft solidarisch zu verteilen.[2]

[1] Buschbell/Hering/Buschbell, § 1 Rn 1.
[2] Van Bühren/Plote/van Bühren, Rechtsschutzversicherung, Einleitung Rn 2.

C. Zahlen und Fakten

 

Rz. 3

Deutschland ist mit zirka 22,0 Mio. Rechtsschutzversicherungsverträgen im Jahr 2017 bei 82,5 Mio. Einwohnern mit Abstand das Land mit dem größten Verbreitungsgrad von Rechtsschutzversicherungen. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) berichtet[3] im Bereich der Rechtsschutzversicherung für das Jahr 2016 über Brutto-Beitragseinnahmen von etwa 3.828 Mio. EUR. Hiervon zahlt die Versicherungswirtschaft rund 2.792 Mio. EUR bei einer Schadensquote von 100,2 Prozent wieder an Versicherungsleistungen aus. Im Verhältnis zum Vorjahr 2015 verbuchten die Unternehmen einen Zuwachs an Einnahmen. Auch die Zahl der Verträge legte zu. Die Schaden-Kosten-Quote und damit die Versicherungsleistungen nahmen zu (vgl. die nachfolgende Tabelle).

 

Rz. 4

 
Jahr Brutto-Beitrags-Einnahmen in Mio. EUR Versicherer Anzahl der Verträge Mio. Schaden-Kosten-Quote in Prozent[4] Versicherungs-Leistungen in Mio. EUR
1980 840   11,0 65,2 531,9
1990 1.631   15,3 69,5 1.118,1
1995 2.216   18,7 81,6 1.776,0
2000 2.690   19,3 71,5 1.922,0
2005 3.014   19,4 74,2 2.229,0
2007 3.158   20,5 70,7 2.223,0
2008 3.204   k.A. 71,2 2.276,0
2009 3.206   20,6 75,0 2.410,0
2010 3.248 47 20,9 99,6 2.336,0
2011 3.331 49 21,1 97,7 2.338,0
2012 3.343 48 21,2 96,7 2.362,0
2013 3.417 48 21,4 99,3 2.474,0
2014 3.486 47 21,6 102,4 2.600,0
2015 3.621 48 21,8 100,0 2.652,0
2016 3.828 46 21,9 100,2 2.792,0
2017 3.621   22,0   2.652,0

Quelle: https://www.gdv.de/de/zahlen-und-fakten/versicherungsbereiche/rechtsschutz-24070#Beitraege

Tabelle 1: Beiträge, Leistungen, Verträge und Schäden in der Rechtsschutzversicherung

[3] GDV, https://www.gdv.de/de/zahlen-und-fakten/versicherungsbereiche/rechtsschutz-24070#Beitraege.
[4] Brutto-Aufwendungen für Versicherungsfälle des Geschäftsjahres in Relation zu den verdienten Brutto-Beiträgen.

D. Meinungsverschiedenheiten zwischen Versicherern und Anwaltschaft

 

Rz. 5

Trotz dieser scheinbar friedlichen Symbiose zwischen den Rechtsschutzversicherern und der Anwaltschaft (vgl. Schaubild Strategisches Zielsystem im Rechtsberatungsmarkt) eskalierte in der Vergangenheit immer mal wieder der Streit über den Gegenstand und den Umfang des vonseiten der Mandanten eingekauften Rechtsschutzversprechens. "Sie sind schlechte Verlierer – die deutschen Rechtsschutzversicherer", heißt es.[5] Fest stehen dürfte: Nicht erst mit dem Inkrafttreten des RVG am 1.7.2004 verstärkt sich unter der Anwaltschaft zunehmend der Unmut über das Regulierungsverhalten so mancher Rechtsschutzversicherer. Konflikte werden nach wie vor, teils offen und direkt auf dem Klageweg, teils indirekt über das Internet ausgetragen. Das BRAK-Magazin veröffentlicht eine "Musterklage bei Gebührenkürzungen"[6] und der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer warnte in einem offenen Brief an die Kolleginnen und Kollegen vor dem Abschluss sogenannter Rationalisierungsabkommen mit Rechtsschutzversicherern.[7] Ein Novum in der Geschichte des Kammerwesens. Aber nicht nur der einzelne Anwalt ist gefährdet. Nicht zu überschauen sind die Folgen, die sich für die gesamte Anwaltsbranche ergeben. Auch aus diesem Grund hatte Dr. Bernhard Dombek in seinem Brief vor den Regulierungsabkommen gewarnt: Er befürchtete, dass sich eine "übliche" niedrige Gebühr durchsetzen könne, die dann auch "externen" Anwälten gegenüber geltend gemacht wird. So könnte eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werden, die zu flächendeckenden Dumpinglöhnen von Anwälten führt – und manchen zu möglicherweise fraglichen Methoden verführt. Eine ganze Bandbreite von Methoden wird von Joachim Wagner[8] in seinem Werk "Vorsicht Rechtsanwalt" anschaulich beschrieben. "Der Journalist und Jurist Joachim Wagner warnt in seinem neuen Buch vor schlecht ausgebildeten Anwälten. Er wünscht sich ein neues Berufsethos und eine Reform der Ju...

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