A. Bauvertragsrecht im BGB und in der VOB

 

Rz. 1

Mit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 1.1.1900 war der BGB-Gesetzgeber noch davon ausgegangen, das Bauvertragsrecht im Werkvertragsrecht (in den §§ 631 ff. BGB) mit (wenngleich in nur wenigen Vorschriften) geregelt zu haben.

 

Rz. 2

Das "Regelungsvakuum"[1] wurde später durch die VOB/B als "Ersatzvertragsordnung"[2] gefüllt – deren Bedeutung allerdings durch die Entscheidung des BGH vom 24.7.2008[3] erheblich zurückgegangen ist: Die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (VOB/B) – sind nach h.M. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die nur durch eine zwischen den Parteien vereinbarte Einbeziehung in den Bauvertrag gelten. Sie unterliegen der Inhaltskon­trolle nach den §§ 307 ff. BGB – wobei die Rechtsprechung unter dem Regime von § 23 Abs. 2 Nr. 5 AGBG alt jedoch davon ausgegangen war, dass die Regelungen der VOB/B dann keiner Inhaltskontrolle unterworfen sein sollten, wenn die VOB/B als Ganzes in einen Bauvertrag einbezogen worden waren. Im Nachgang zur Schuldrechtsreform 2002 wurde die Frage aufgeworfen, ob eine Privilegierung der VOB/B – mithin das Fehlen einer Inhaltskontrolle einzelner Klauseln – weiterhin Bestand haben könne (vgl. § 308 Nr. 5 bzw. § 309 Nr. 8 Buchst. b ff. BGB alt). In Bezug auf Verbraucherverträge wurde die Privilegierung der VOB/B auch als Verstoß gegen die europäische Klauselrichtlinie gewertet.

Mit Urteil vom 22.1.2004[4] hat der BGH festgestellt, dass jede vertragliche Abweichung von der VOB/B dazu führt, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden ist, wobei es nicht auf das Gewicht der Abweichung ankomme. Ob die Privilegierung auch für die Zeit nach der Schuldrechtsreform 2002 weiter angewandt werden könne, hat der BGH dabei noch ausdrücklich offen gelassen. Am 24.7.2008[5] hat der BGH schließlich festgestellt, dass bei der Verwendung der VOB/B gegenüber Verbrauchern jede einzelne Klausel der AGB-Kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB unterliegt. Im Nachgang hat auch der Gesetzgeber eine Klarstellung vorgenommen und die vormaligen Sonderregelungen zur VOB/B in § 308 Nr. 5 und § 309 Nr. 8 Buchst. b ff. BGB alt gestrichen. § 310 Abs. 1 S. 3 BGB bestimmt seitdem, dass § 307 Abs. 1 und 2 BGB in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner VOB/B-Bestimmungen keine Anwendung findet, wenn die VOB/B gegenüber einem Unternehmer oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts verwendet werden und in den Vertrag ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen worden sind. Der Gesetzgeber hat damit deutlich gemacht, dass im Falle einer Verwendung der VOB/B gegenüber einem Verbraucher keine Privilegierung mehr gilt – die einzelnen Klauseln der VOB/B in Verbraucherverträgen somit einer Inhaltskontrolle unterliegen. I.Ü. fingiert in diesem Fall § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, dass die VOB/B vom Unternehmer gestellt worden sind.

[1] Glöckner, VuR 2016, 123.
[2] Glöckner, VuR 2016, 123.
[3] BGHZ 178, 1.
[4] BGHZ 157, 346 = NJW 2004, 1597.
[5] BGHZ 178, 1.

B. Überblick

 

Rz. 3

Mit dem Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts, zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung, zur Stärkung des zivilprozessualen Rechtsschutzes und zum maschinellen Siegel im Grundbuch- und Schiffsregisterverfahren vom 4.5.2017[6] hat das Bauvertragsrecht vor allem in Bezug auf das Werkvertragsrecht[7] (Titel 9 – Werkvertrag und ähnliche Verträge) entscheidende Änderungen und erstmalig eine umfassende Regelung erfahren: Geregelt ist nunmehr der

Werkvertrag als Untertitel 1 in den §§ 631 bis 650o BGB, wobei dieser Untertitel in vier Kapitel gegliedert ist:

Kapitel 1 – Allgemeine Vorschriften (§§ 631 bis 650 BGB)
Kapitel 2 – Bauvertrag (§§ 650a bis 650h BGB)
Kapitel 3 – Verbraucherbauvertrag (§§ 650i bis 650n BGB)
Kapitel 4 – Unabdingbarkeit (§ 650o BGB), der
Architekten- und Ingenieurvertrag als Untertitel 2 in den §§ 650p bis 650t BGB, der
Bauträgervertrag als Untertitel 3 in den §§ 650u bis 650v BGB und der
Reisevertrag als Untertitel 4 in den §§ 651a bis 651m BGB.
 

Rz. 4

Durch die Aufnahme zweier neuer Untertitel,

Untertitel 2 (Architekten- und Ingenieurvertrag – §§ 650p bis 650t BGB) und
Untertitel 3 (Bauträgervertrag – §§ 650u und 650v BGB),

ist der vormalige Untertitel 2 (Reisevertrag – §§ 651a ff. BGB) alt zum Untertitel 4 des neunten Titels (Werkvertrag und ähnliche Verträge) geworden ist.

 

Rz. 5

Kapitel 1 des Untertitels 1 – Allgemeine Vorschriften (§§ 631 bis 650 BGB) – gilt, vorbehaltlich von spezifischen Sonderregelungen in den Bestimmungen der besonderen Vertragstypen (vgl. bspw. § 650a Abs. 1 S. 2 oder § 650i Abs. 3 BGB), grundsätzlich für alle Werkverträge, mithin auch für den Bau- und den Verbraucherbauvertrag.[8]

 

Rz. 6

 

Beachte:

Auf einen Bauvertrag, der nicht Verbraucherbauvertrag i.S.v. § 650i Abs. 1 BGB ist, an dem also kein Verbraucher (§ 13 BGB) als Besteller beteiligt ist, finden demnach die

allgemeinen Werkvertragsvorschriften (§§ 631 bis 650 BGB) und die
Spezialregelungen des Bauvertragsrechts (§§ 65...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge