Rz. 17

Die Basis einer solchen Kooperation dürfte in den meisten Fällen ein sogenanntes Regulierungs- oder Rationalisierungsabkommen darstellen. Bei diesen Vereinbarungen stimmt der Anwalt zu, geringere Gebühren[20] als üblich von der Versicherung zu erhalten – und erhofft sich vom Versicherungsunternehmen im Gegenzug als "Vertrauensanwalt" empfohlen zu werden.

 

Rz. 18

Einige Versicherer bewerben diese Praxis als zusätzlichen Service für ihre Kunden. So erklärt Christian Lübke[21] vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV): "Rechtsschutzversicherer begreifen sich heute nicht mehr als reiner Kostenerstatter, sondern möchten ihren Kunden einen optimalen Service bieten. Rechtsanwaltsnetzwerke tragen hierzu bei. So erhält der ratsuchende Versicherungsnehmer im Fall der Kontaktaufnahme zum Rechtsschutzversicherer zweierlei: eine Aussage über die Möglichkeit der Kostenübernahme und Hinweise über in der jeweiligen Angelegenheit versierte, möglichst ortsnahe Anwälte. Die Erfahrungen zeigen, dass viele Versicherungsnehmer diese Zusatzleistung sehr dankbar annehmen."

 

Rz. 19

Für die meisten dieser dankbaren Kunden dürfte der Hintergrund einer solchen Kooperation allerdings verborgen bleiben. Mögliche Interessenkonflikte des empfohlenen Advokaten sind für den Versicherten dadurch nicht erkennbar – für viele Anwälte dafür umso offensichtlicher. So gibt Rechtsanwalt Carsten Hoenig[22] zu bedenken: "Die Empfehlung einer Kanzlei ist eine Leistung des Versicherers an diese Kanzlei. Und ohne Gegenleistung geht in der Wirtschaft regelmäßig gar nichts. Ein auf diesem Wege empfohlener Anwalt ist oft Diener zweier Herren." Auch Rechtsanwalt Maier befürchtet:[23] "Es sind Fallkonstellationen denkbar, bei denen ein solcher RSV-RA (Rechtsschutzversicherungs-Rechtsanwalt) Parteiverrat/Untreuetatbestände erfüllt, weil er das Sparinteresse der RSV über das Rechtsverfolgungsinteresse des Mandanten stellt."

 

Rz. 20

Die Versicherungswirtschaft teilt solche Bedenken nicht. Der GDV betont als Lobbyverband die "Möglichkeit der Qualitätsprüfung" durch den "stetigen Kontakt" mit dem Anwalt, durch den die "Qualität in der Mandatsbearbeitung" im Blick gehalten werde, "um erforderlichenfalls reagieren zu können".[24] Für die Anwälte könnte die so gelobte Qualitätsprüfung allerdings mehr wie eine Drohung denn nach vertrauensvoller Zusammenarbeit klingen. Denn ob es dabei vorrangig um das Wohl des Versicherungsnehmers geht oder doch eher oder zumindest auch um die Kosten des Anwalts, ist unter den Parteien umstritten.

 

Rz. 21

Unbestreitbar haben trotz dieser Bedenken Rationalisierungsabkommen weiter den Rechtsberatungsmarkt erobert,[25] welche, "praktisch ausschließlich zu Lasten des Anwaltes gehen",[26] weil sie nicht selten Pauschalabrechnungen unterhalb der gesetzlichen Gebühren beinhalten sollen.“[27]

 

Rz. 22

Nach einer Untersuchung[28] von Hommerich und Kilian haben "42 Prozent der Befragten, denen ein Angebot unterbreitet wurde, ein Rationalisierungsabkommen abgeschlossen". Auf 15,6 Prozent beläuft sich die Zahl in der Gesamtanwaltschaft, weil nur 37 Prozent der Anwaltschaft ein Abkommen nach der Untersuchung angeboten wurde. 79 Prozent der Befragten betreuen Rechtsschutzversicherungsmandate. Unter diesen liegt der Anteil bei rund 20 Prozent. "Dies bedeutet, dass die Zahl der Anwälte, die tatsächlich Rationalisierungsabkommen mit der Versicherungswirtschaft abschließen, insgesamt unter der Anzahl derjenigen liegt, die grundsätzlich Interesse an solchen Vereinbarungen bekunden."[29]

 

Rz. 23

Auszüge aus älteren, dem DAV vorliegenden Angeboten von Rechtsschutzversicherern finden sich auf der Homepage des DAV und wurden von den Kollegen Philipp Wendt und Udo Henke bearbeitet.[30]

 

Rz. 24

Damit trifft das Angebot der RSV auf einen Anwaltsmarkt, der durch steigende Zulassungszahlen verunsichert und in wirtschaftliche Bedrängnis geraten ist.[31] Insofern ist aufseiten der Anwaltschaft mehr denn je betriebswirtschaftlicher Sachverstand und das Wissen um die einschlägigen Parameter gefragt. Einige, möglicherweise nicht wenige Kollegen, haben für sich entschieden, das Angebot der RSV anzunehmen, weil sie sich ein Mehr an "zugesteuerten" Mandaten erhoffen und aus der Mischkalkulation heraus ein Umsatzplus erwarten. Ob diese Rechnung aufgeht und der in Aussicht gestellte oder erwartete Zustrom an Mandanten anhält und den Deckungsbeitrag erwirtschaftet, ist fraglich. Mitunter erweisen sich die zugesteuerten Mandate, vielleicht auch aufgrund der niedrigen Gegenstandswerte, als Zuschussgeschäft. Die Bearbeitung der Mandate kostet den Vertragsanwalt zudem nicht selten mehr Zeit, mehr Geld und ein Vielfaches mehr an Nerven als schlicht anfänglich gedacht und führt mitunter quasi zu einer Quersubventionierung des Versicherers bei objektiv begrenzter Lebenszeit. Fatale Folgen für den Fortbestand der Kanzlei kann es haben, wenn eigene und unabhängige Anstrengungen um die Gewinnung von Mandanten eingestellt werden und die Kanzlei in eine Abhängigkeitss...

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