Rz. 37

Abzugrenzen von der Schiedsgerichtsbarkeit ist weiter die Schiedsgutachtenvereinbarung. Auch der Schiedsgutachter wird privatrechtlich aufgrund einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung tätig. Anders als das Schiedsgericht soll er aber nicht einen Rechtsstreit entscheiden, sondern einzelne Tatbestandselemente einer für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsnorm kraft seiner Sachkunde feststellen. Diese Feststellungen sind nicht vollstreckbar, weil sie noch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt ­haben. Sie schaffen vielmehr nur die Grundlage für die (schieds -) gerichtliche Entscheidung. Sie stellen auch kein Prozesshindernis dar, sondern begründen nur eine materiell – rechtliche Einrede.[12]

 

Rz. 38

 

Beispiel 1

Die streitenden Parteien sind verheiratet und möchten geschieden werden. Sie streiten um den Ausgleich des Zugewinns und in diesem Rahmen um die Bewertung der im Eigentum eines der Ehegatten stehenden Immobilie. Dabei verständigen sie sich dahin, ein Schiedsgutachten zur alleinigen Bewertung der streitgegenständlichen Immobilie einzuholen.

 

Beispiel 2 (nach BGH FamRZ 2014, 655)

Die Mitglieder einer Erbengemeinschaft trafen eine Vereinbarung, nach der einer von ihnen gegen Zahlung einer Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausscheiden solle. Über die Wirksamkeit dieser Vereinbarung kam es zum Streit zwischen dem Ausscheidenden und den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft. Nach dem Tod des Ausscheidenden und vor Abschluss des Rechtsstreits schloss der Nach­lasspfleger des Verstorbenen mit den übrigen Mitgliedern der Erbengemeinschaft eine als "Schiedsgutachtervereinbarung/Vergleich" überschriebene Vereinbarung. ­Danach sollten im Einzelnen bezeichnete Bestandteile des Immobiliar- und Mobiliarvermögens des Verstorbenen durch namentlich bezeichnete Schiedsgutachter bewertet werden. Die Entscheidungen der Schiedsgutachter sollten für alle Beteiligten bindend sein.

Der Nachlassverwalter bedarf gemäß §§ 1960, 1962, 1915, 1822 Nr. 12 BGB der gerichtlichen Genehmigung für den Abschluss eines Vergleichs oder eines Schiedsvertrages. Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass die getroffene Vereinbarung lediglich auf die Feststellung einzelner Tatbestandselemente oder gutachterliche Leistungsbestimmungen gerichtet war und dazu diente, den Parteien zwar einen objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Damit handele es sich um eine Schiedsgutachtenabrede, die auch dann, wenn sie durch einen Vormund oder Nachlasspfleger geschlossen wird, keiner Genehmigung durch das Familiengericht bedarf.

 

Rz. 39

Das Schiedsgutachten ist im Sinne der §§ 317 ff. BGB verbindlich dergestalt, dass das Gericht – sei es das Schiedsgericht oder das staatliche Gericht – bei seiner weiteren Entscheidungsfindung das Ergebnis dieses Gutachtens zugrunde zu legen hat. Ausnahmen gelten nur dann, wenn das Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist.[13] Eine offenbare Unrichtigkeit ist wiederum dann gegeben, wenn sie sich einem sachkundigen Beobachter, gegebenenfalls nach gründlicher Prüfung, sofort aufdrängt.[14]

Das Vorliegen einer Schiedsgutachtenvereinbarung kann sich auch aus den Umständen des Falles ergeben. Dabei kommt es auf die für den Vertrag gewählte Überschrift nicht an. So ist etwa ein Schiedsgutachtenvertrag angenommen worden, nachdem die Parteien die getroffene Vereinbarung als "Schiedsvereinbarung" überschrieben hatten, dann jedoch das staatliche Gericht nicht haben ausschließen, sondern nur das Verfahren zur Feststellung von Tatsachen haben regeln wollen.[15]

 

Rz. 40

Im Übrigen ist darauf abzustellen, welche Entscheidungen von Streitpunkten Dritten übertragen werden. Soll eine Überprüfung durch ein staatliches Gericht ausgeschlossen werden, handelt es sich um einen Schiedsvertrag, soll sie nur in Teilbereichen ausgeschlossen sein, liegt dagegen ein Schiedsgutachtenvertrag vor.[16]

 

Rz. 41

Ist nicht ganz eindeutig feststellbar, ob die Parteien einen Schiedsvertrag oder einen Schiedsgutachtenvertrag haben abschließen wollen, so ist im Zweifel von letzterem auszugehen, weil der Schiedsgutachtenvertrag die Rechte der Parteien weniger einschneidend begrenzt.

[13] BGHZ 43, 374.
[16] OLG Koblenz NJW-RR 1996, 970.

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