Rz. 58

Im Rahmen von Erbprozessen steht man häufig vor der Frage, ob der einzelne Erbe klagen kann oder ob man eine oder mehrere Personen verklagen muss.

Bekanntlich unterscheidet man die einfache von der notwendigen Streitgenossenschaft. Bei der einfachen Streitgenossenschaft als subjektive Parteienhäufung ist die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung lediglich zweckmäßig, aber nicht zwingend notwendig.

Eine Streitgenossenschaft ist aber insbesondere in Erbsachen wegen der Rechtskrafterstreckung notwendig, wenn es sich z.B. um den Vorerben und den Nacherben nach den §§ 326 ff., 728 ZPO handelt.

Die Bildung einer Streitgenossenschaft kann auch durch Eintritt einer Gesamtrechtsnachfolge mehrerer Personen bei Fortführung des Verfahrens durch eine Erbengemeinschaft nach Tod einer Prozesspartei erfolgen.

Die Erbengemeinschaft besitzt selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit. Somit sind im Rahmen eines Prozesses die Miterben selbst Partei.

Durch die Entscheidung des BGH[88] zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergibt sich keine andere Rechtsstellung für die Erbengemeinschaft.[89]

Bei der einfachen Streitgenossenschaft sind die einzelnen Prozessrechtsverhältnisse regelmäßig selbstständig zu betrachten. Für jeden Beklagten ist also separat festzustellen, wann gegen ihn die Klage erhoben worden ist. Der Ausgang des Prozesses kann ohne weiteres für die einzelnen Streitgenossen unterschiedlich sein.

Ein nicht notwendiger Streitgenosse kann somit weiterhin Zeuge sein, wenn er nicht selbst als Partei betroffen ist. Sofern z.B. eine Tatsache nur im Prozessrechtsverhältnis eines Streitgenossen streitig ist, kann der andere Streitgenosse auch als Zeuge vernommen werden.[90] In der Praxis wird sehr häufig übersehen, dass eine Vernehmung eines Streitgenossen durchaus möglich und nur über Tatsachen ausgeschlossen ist, die auch im Verhältnis der jeweiligen Beweisperson von Bedeutung sind.[91] Sobald ein Streitgenosse ausscheidet (z.B. bei rechtskräftigem Teilurteil), lebt die vollständige Zeugenstellung wieder auf.[92]

 

Rz. 59

Die notwendige Streitgenossenschaft führt zu einer Mehrheit von Prozessrechtsverhältnissen, die zu einer gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden. Um einer Haftung als Anwalt zu entgehen, ist es im Erbprozess besonders wichtig, genau zu wissen, wann eine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt.

Nach § 62 ZPO gibt es zwei Gruppen notwendiger Streitgenossenschaft. Nur gegenüber notwendigen Streitgenossen muss nach § 62 ZPO einheitlich entschieden werden. Aus einem "sonstigen Grunde" notwendig ist sie, wenn mehrere Berechtigte "nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts" nur gemeinschaftlich Klage erheben können, also die Klage nur eines Berechtigten mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen werden müsste.[93]

Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Zulässigkeit der Streitgenossenschaft nichts mit der Zulässigkeit der Klage zu tun hat, da diese selbstständig zu prüfen ist. Ist lediglich die Streitgenossenschaft nicht zulässig, ist nach § 145 ZPO die Trennung der Prozesse zu beantragen.

 

Rz. 60

Muster 1.6: Antrag auf Verweisung

 

Muster 1.6: Antrag auf Verweisung

An das Amts-/Landgericht

_________________________

In dem Rechtsstreit

Heinz Müller ./. 1.) Willi Meier 2.) Michael Meier 3.) Veronika Lenz

Az.: _________________________

Namens und in Vollmacht des Beklagten zu 1.) beantrage ich,

die Klage abzuweisen.

Vorab beantrage ich,

den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1.) an das zuständige Amtsgericht _________________________ zu verweisen.

Begründung:

Die Beklagten zu 1.), zu 2.) und zu 3.) sind keine notwendigen Streitgenossen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage gegenüber den Beklagten und Miterben die Feststellung des Pflichtteils. _________________________

(Rechtsanwalt)

 

Rz. 61

Auf eine Rüge nach § 295 Abs. 1 ZPO ist das Prozessgericht verpflichtet, die Verfahren zu trennen, sofern es nicht die Verbindung nach § 147 ZPO zulässt. Dabei ist aber Art. 6 EMRK zu beachten. Scheidet durch eine Verbindung ein Beweismittel aus prozessualen Gründen aus, kann ein Verstoß gegen den Grundsatz des fair trials liegen.

Gegen einen Verbindungsbeschluss des Gerichts ist grundsätzlich kein Rechtsbehelf statthaft.[94] Man kann somit erst gegen das Urteil selbst vorgehen.

Ferner ist darauf zu achten, ob nach Trennung der Verfahren weiterhin die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben ist. Beruht die sachliche Zuständigkeit bspw. nur auf eine Streitwertaddition, kann diese nach Trennung entfallen.

[90] Oberheim, S. 137.
[91] Hierauf weist Oberheim, S. 137 zu Recht hin. Vgl. auch Zöller/Vollkommer, § 61 Rn 4; Thomas/Putzo/Hüßtege, § 61 Rn 7; Saenger/Kayser, § 61 Rn 6.
[92] BGH NJW 1999, 135. Nach Zöller/Greger, § 373 Rn 5a auch keine Betroffenheit allein durch noch ausstehende Kostenentscheidung.
[93] Vgl. auch Senatsurteil des BGH v. 4.5.1984 – V ZR 82/83, WM 1984, 1030 für den entsprechenden Fall auf der Beklagtenseite.
[...

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