Rz. 27

Die Aufteilung in verschiedene Angelegenheiten ist darüber hinaus auch in horizontaler Ebene zu berücksichtigen. Ein scheinbar einheitlicher Auftrag kann durchaus auch mehrere parallel laufende Angelegenheiten erfassen.

 

Rz. 28

So stellen z.B. Hauptsacheverfahren und einstweilige Anordnung in Familiensachen und in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit stets eigene Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG).

 

Beispiel 7: Einstweilige Anordnung im Umgangsrechtsverfahren

Der Kindesvater stellt einen Antrag zum Umgangsrecht und beantragt gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sowohl über die Hauptsache als auch die einstweilige Anordnung wird verhandelt.

Es liegen zwei Angelegenheiten vor (§ 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG). In der Hauptsache erhält der Anwalt eine 1,3-Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) sowie eine 1,2-Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) aus dem Wert des § 45 Abs. 1 FamGKG (Regelwert von 4.000,00 EUR). Im einstweiligen Anordnungsverfahren entstehen die gleichen Gebühren, allerdings nur aus dem geringeren Wert des § 41 i.V.m. § 45 FamGKG, i.d.R. dem hälftigen Hauptsachewert, hier also 2.000,00 EUR.

 
I. Hauptsacheverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   361,40 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   333,60 EUR
  (Wert: 4.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 715,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   135,82 EUR
Gesamt   850,85 EUR
II. Einstweiliges Anordnungsverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   215,80 EUR
  (Wert: 2.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV   199,20 EUR
  (Wert: 2.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 435,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   82,65 EUR
Gesamt   517,65 EUR
 

Rz. 29

Mehrere – auch gleichzeitige – Vollstreckungen gegen mehrere Schuldner – auch Gesamtschuldner – stellen jeweils gesonderte Angelegenheiten dar (siehe § 33 Rdn 116 ff.).

 

Beispiel 8: Vollstreckung gegen Gesamtschuldner

Der Anwalt wird beauftragt, eine Mobiliarvollstreckung wegen einer Geldforderung von 1.860,00 EUR zeitgleich gegen zwei Gesamtschuldner durchzuführen.

Die Vollstreckung gegen mehrere Schuldner löst stets mehrere Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG aus. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG zählt jede Vollstreckungsmaßnahme als eigene Angelegenheit. Dies gilt auch für mehrere Vollstreckungen gegen Gesamtschuldner, mag auch der Anspruch der gleiche und das wirtschaftliche Interesse dasselbe sein. Eine Streitgenossenschaft in der Zwangsvollstreckung gibt es auf Schuldnerseite nicht (siehe § 33 Rdn 147 ff.).

 
I. Vollstreckung gegen Schuldner 1
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV   49,80 EUR
  (Wert: 1.860,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   9,96 EUR
  Zwischensumme 59,76 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   11,35 EUR
Gesamt   71,11 EUR
II. Vollstreckung gegen Schuldner 2
1. 0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV   49,80 EUR
  (Wert: 1.860,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   9,96 EUR
  Zwischensumme 59,76 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   11,35 EUR
Gesamt   71,11 EUR
 

Rz. 30

Auch sonstige scheinbar nach § 19 RVG zum Rechtszug gehörende Tätigkeiten können gesonderte Angelegenheiten auslösen. Hier ist stets Acht zu geben.

 

Beispiel 9: Verfahren auf vorläufige Vollstreckbarkeit

Der Beklagte wird vom LG zur Zahlung eines Betrags in Höhe von 40.000,00 EUR verurteilt. Er legt Berufung ein und beantragt jetzt nur noch, die Klage in Höhe von 30.000,00 EUR abzuweisen. Daraufhin beantragt der Berufungsanwalt des Klägers, das landgerichtliche Urteil in Höhe von 10.000,00 EUR für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ergeht der beantragte Beschluss ohne mündliche Verhandlung.

Das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung der durch Rechtsmittelanträge nicht angefochtenen Teile eines Urteils (§§ 537, 558 ZPO) zählt grundsätzlich nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG zum Rechtszug. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gegenstand, hinsichtlich dessen die vorläufige Vollstreckbarkeit beantragt wird, Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist oder war (ausführlich siehe hierzu § 24). Dies ist hier aber nicht der Fall. Es liegen daher zwei Angelegenheiten vor, die gesondert abzurechnen sind.

 
I. Berufungsverfahren
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV   1.528,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   1.146,00 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.694,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   511,86 EUR
Gesamt   3.205,86 EUR
II. Verfahren auf Vollstreckbarerklärung
1. 0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3329 VV   307,00 EUR
  (Wert: 10.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 327,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   62,13 EUR
Gesamt   389,13 EUR
 

Rz. 31

 

Beispiel 10: Beschwerde gegen Aussetzung des Rechtsstreits

Das LG hat den Antrag auf Aussetzung des Rechtsstreits (10.000,00 EUR) abg...

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